Ludger Wößmann (1973) ist Leiter des Ifo-Zentrums für Bildungsökonomik in München.

Foto: Ifo-Zentrum

STANDARD: Nichtkonfessionelle Privatschulen haben eine Verfassungsklage eingereicht. Sie wollen die gleiche Förderung wie konfessionelle Privatschulen. Aber warum sollen Privatschulen überhaupt vom Staat gefördert werden?

Wößmann: Wichtig ist, dass hier zwischen Finanzierung und Trägerschaft unterschieden wird, weil auch die Effekte sowohl auf die Qualität insgesamt als auch auf die Chancengleichheit im Bildungssystem sehr unterschiedlich sind. Empirisch gesehen spricht sehr viel dafür, dass der Staat Schulen in privater Trägerschaft den öffentlichen Schulen gleichstellt und sie in gleicher Höhe finanziell fördert. Die Niederlande sind dafür ein gutes Beispiel. Rund drei Viertel aller Schülerinnen und Schüler besuchen eine Schule in privater Trägerschaft. Gleichzeitig ist in der Verfassung festgeschrieben, dass alle Schulen die gleiche öffentliche Finanzierung bekommen. Mit dem Ergebnis, dass Eltern tatsächlich Wahlmöglichkeiten haben, weil es Alternativen gibt. Es kommt zu einem echten Wettbewerb, wie die Schulen die besten Ideen voranbringen können. Insgesamt führt das dazu, dass das Leistungsniveau in den Ländern mit einem hohen Anteil an Schulen in privater Trägerschaft deutlich besser ist. Dabei ist es aber wichtig, dass Schulen zwar privat getragen, aber nicht privat finanziert werden. Das würde nämlich den gegenteiligen Effekt haben.

STANDARD: Die soziale Durchmischung ist auch im öffentlichen Bildungssystem nicht ausgewogen. Durch Privatschulen wird das noch verschärft ...

Wößmann: Der Grund dafür ist ja die Finanzierung. Denn wenn es so ist, dass Schulen in privater Trägerschaft kaum öffentliche Gelder bekommen, dann geht es nicht anders, als dass die Eltern die Finanzierung übernehmen müssen. Das können sich dann nur die oberen Zehntausend leisten. Auch im internationalen Vergleich sehen wir: Je stärker Bildungssysteme auf private Finanzierung setzen, desto ungleicher sind die Bildungschancen. Wenn das geändert wird und der Staat alle Schulen gleich fördert, könnten auch sozio-ökonomisch Schwächere diese Schulen besuchen. Wie sich Privatschulen auf die Chancengleichheit auswirken, hängt letztlich stark von den sonstigen Rahmenbedingungen ab. Denn je mehr Schulen in privater Trägerschaft sind, desto wichtiger ist, dass der Staat die allgemeine Schulaufsicht sicherstellt, dass er klare Bildungsstandards und Bildungsziele vorgibt und deren Erreichen auch überprüft.

STANDARD: Aber warum braucht es dann freie Träger, wenn der Staat alle Schulen gleich fördert?

Wößmann: Solange alle Schulen in gleicher Trägerschaft sind, kann kein Wettbewerb entstehen. Der Staat hat hier ja quasi eine Monopolstellung. So haben die einzelnen Schulen wenig Anreize, etwas zu ändern, weil ihnen ja auch nichts passieren kann. Anders ist es, wenn es tatsächlich Alternativen gibt. Aus der Forschung wissen wir, dass der Wettbewerb dann eine Flut ist, die alle Boote hochhebt und das Leistungsniveau in allen Schulen deutlich verbessert.

STANDARD: Bildung wird aber in Österreich sehr stark vererbt. Wie kann das durch mehr Wettbewerb verbessert werden?

Wößmann: Das ist die große Frage. Es ist ja nicht so, dass ein öffentliches System per se eine hohe Durchmischung und Chancengleichheit sicherstellt. Und hier stellt sich auch die Frage, ob es am fehlenden Interesse der Eltern oder an den fehlenden Wahlmöglichkeiten liegt. Denn natürlich gibt es im öffentlichen Schulsystem eine Vielzahl an Maßnahmen, um die Chancengleichheit zu verbessern. Aber ein viel größerer Effekt wird erzielt, wenn benachteiligte Kinder echte Wahlmöglichkeiten erhalten. Zwei Punkte sind dafür wichtig. Erstens: Wenn private Schulen durch öffentliche Gelder vollfinanziert werden, dürfen sie keine zusätzlichen Schulgelder erheben. Zweitens: Inwiefern dürfen sich Schulen ihre Schüler aussuchen? Im Wettbewerb wird es dazu kommen, dass bestimmte Schulen beliebter sind als andere. Die fairste Lösung wäre dann, dass das Los entscheidet. Das Spannende daran ist, dass durch diesen Wettbewerb auch in öffentlichen Schulen Dinge rascher verändert werden, weil auch dort Anreize entstehen. Gerade öffentliche Schulen werden besser in einem System, in dem es mehr Schulen in freier Trägerschaft gibt.

STANDARD: Was müsste sich im öffentlichen Bildungssystem ändern?

Wößmann: Die Funktion der Schulleitung wird sich bei mehr Wettbewerb ändern. Das ist keine nachgelagerte administrative Instanz, sondern ein Managementjob, um Schulen möglichst gut zu machen, die Lehrer zu motivieren, um auf die Eltern zuzugehen. Es gibt Schulleitungen, die das heute schon so machen, aber es gibt auch Schulleitungen, wo das nicht funktioniert.

STANDARD: Wie würde ein ideales Bildungssystem ausschauen?

Wößmann: Kurz dargestellt ist es ein System, in dem der Staat klar die Bildungsstandards und Bildungsziele vorgibt und diese auch überprüft. Den besten Weg dorthin zu finden sollte allerdings den Schulen selbst überlassen werden. Das heißt, dass die öffentlichen Schulen mehr Autonomie brauchen, und das bedeutet ganz besonders, dass die Eltern echte Alternativen brauchen. Insofern sind Schulen in freier Trägerschaft eine Bereicherung, wenn sichergestellt ist, dass alle Schichten der Gesellschaft diese besuchen können. Das wird nur mit einer staatlichen Finanzierung funktionieren. (INTERVIEW: Gudrun Ostermann, 29.11.2016)