Graz – Eine Aussackung der Bauchschlagader (Aneurysma) bereitet zwar keine Beschwerden, birgt aber ein tödliches Risiko: Mit zunehmender Größe steigt die Gefahr, dass das Aneurysma reißt und der Patient innerlich verblutet. Wie diese Gefäße auf Belastungen reagieren, warum sie schließlich reißen und welche Rolle die Kollagenfasern dabei spielen, versuchen Forscher an der TU Graz herauszufinden.

Bei Blutgefäßen kann es durch Alterungsprozesse und Erkrankungen zu einer zunehmenden Versteifung, abnehmender Elastizität der Gefäßwand oder auch krankhaften Gefäßerweiterungen kommen. Den modifizierten biomechanischen Eigenschaften liegen Veränderungen der Strukturkomponenten zugrunde, wie der Grazer Biomechaniker Gerhard A. Holzapfel erläutert. Diesen ist er mit seinem Team am Institut für Biomechanik der TU Graz auf der Spur. Es arbeitet an einem Modell des mechanischen Verhaltens und struktureller Veränderungen des weichen biologischen Gewebes. Damit sollen Einblicke in die physiologischen Prozesse und pathologischen Veränderungen möglich sein.

Aorten-Aneurysmen können sich zu tickenden Zeitbomben entwickeln: Damit ein lebensbedrohliches Platzen (Ruptur) der krankhaft erweiterten Hauptschlagader verhindert wird, muss die Aussackung rechtzeitig beseitigt werden. "Um das Risiko einer Ruptur zuverlässig vorhersagen zu können, brauchen wir ein tieferes Verständnis der Struktur und der damit verbundenen Mechanik der Aortenwand", erklärt der Experte für Biomechanik an der Technischen Universität Graz. Die jüngsten Erkenntnisse, die Holzapfel und sein Team über die Mikrostruktur der Blutgefäße gewinnen konnten, haben die Grazer Forscher im Journal of the Royal Society Interface publiziert.

Strukturelle Veränderungen

Das biomechanische Rückgrat in den Gefäßen bilden Kollagen, Elastin und Muskelzellen, erklärt Holzapfel. "Während Elastin für die elastischen Eigenschaften der Blutgefäße zuständig ist, geben die Kollagenfasern ihnen die Festigkeit und Belastbarkeit." Letztere wurden von den Grazer Forschern unter die Lupe genommen.

In den vergangenen Monaten hat das Team erstmals Gewebeproben von 17 menschlichen Bauch-Aorten (abdominalen Aorten, AA) und aus elf postoperative Gewebeproben von abdominalen Aorten-Aneurysmen (AAA) strukturell und mechanisch miteinander verglichen. Mithilfe einer neu entwickelten Methode der Probenpräparation – welche die rund einen Millimeter starke Arterienwand durchsichtig macht – und sogenannter Multiphotonen-Mikroskopie konnten sie die Kollagenfasern in den Proben über die gesamte Dicke der Gefäßwand analysieren. Dabei haben sie das Gefäß auch im Zuge von biaxialen Streckversuchen beobachtet. "Wir haben ganz bemerkenswerte Unterschiede zwischen den kranken und gesunden Geweben gesehen", wie Holzapfel betont.

So konnten die Forscher erkennen, dass es deutliche Veränderungen der Faserarchitektur, des Faserdurchmessers und auch der Welligkeit des Gewebes gibt. In gesunden Arterien sei beispielsweise die parallele Ausrichtung der Kollagenfasern für die mechanische Stabilität ausschlaggebend. Diese Feinstruktur werde in einer erkrankten Aorta substanziell gestört. Die charakteristische Wandarchitektur mit den drei unterschiedlichen Schichten war in den AAA-Proben überhaupt nicht mehr erkennbar. "Wir verstehen jetzt die strukturellen Veränderungen ein Stück besser. Ziel ist es, im Detail zu verstehen, wie diese Erkrankung entsteht und sich weiterentwickelt, um verbesserte Präventivbehandlungen und Interventionen zu entwickeln", resümiert Holzapfel. (APA, 30.11.2016)