Nicht immer läuft während der Lehre alles problemlos – weder für die Jugendlichen, noch für ihre Ausbilder oder Vorgesetzte. Seit einem Jahr gibt es in solchen Fällen ein Gesprächsangebot: Im Projekt "Lehre statt Leere" gibt es Coachings in jedem Bundesland, kostenlos.

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Was tun, wenn man als Lehrling das Gefühl hat, nur noch Kaffee zu kochen und sauberzumachen, aber zu wenig Fachliches zu lernen? An wen wenden, wenn es gröbere Auseinandersetzungen mit einem Lehrer in der Berufsschule oder einer Kollegin in der Arbeit gibt? Und wer steht Ausbildnern mit Rat zur Seite, wenn sie sich überfordert fühlen, nicht wissen, ob sie Jugendliche mit Migrations- oder Fluchthintergrund spezieller behandeln sollen? Das im Herbst 2015 gestartete Programm "Lehre statt Leere" setzt hier an. Bei schwierigen Entscheidungen, Problemen, Konflikten oder Unsicherheit können sowohl Lehrlinge als auch Vertreter von Lehrlingsbetrieben kostenloses Coaching in Anspruch nehmen, in allen Bundesländern.

Hilfe zur Selbsthilfe

Seit Start des Programms kam es österreichweit bereits zu mehr als 1000 Coachings, allein in Wien sind es etwas mehr als 300. Brigitte Eberhard zählt zu den sieben Coaches, die sich in der Hauptstadt den Sorgen und Anliegen von Lehrlingen und Ausbildnern widmen. Häufig würde es um zwischenmenschliche Konflikte gehen, sagt Eberhard, auch Probleme in der Berufsschule oder persönliche Probleme kämen häufig vor. "Es ist nicht leicht, mit 16 in ein betriebliches Gefüge zu kommen und Verantwortung zu übernehmen", sagt Eberhard.Es seien ja auch nicht unbedingt Pädagogen, die in den Betrieben ausbilden. Da könne schon der eine oder andere Konflikt entstehen. Auch soziale Themen würden oft vorkommen: zu teurer oder defizitärer Wohnraum und auch Drogenprobleme.

Die Devise der Coaches laute immer "Hilfe zur Selbsthilfe": "Wir möchten, dass die Jugendlichen ihre Probleme selbst klären – etwa wenn es einen Konflikt mit einer Lehrerin oder einem Kollegen gibt. Wenn das nicht mehr möglich ist und es vonseiten des Lehrlings den Wunsch gibt, dann steigen wir als Vermittler zwischen den Parteien ein", erklärt Eberhard die Vorgehensweise. Gebe es Schwierigkeiten mit fachtheoretischem Inhalt in der Berufsschule oder Angst vor der Lehrabschlussprüfung, empfehle man in der Regel zusätzliche Bildungsmaßnahmen oder vermittle auch an andere Organisationen. "Die Vernetzung unter verschiedenen Angeboten ist sehr wichtig. Denn oft wissen die Jugendlichen oder die Betriebe hinter ihnen gar nicht, was es alles an Unterstützung gibt", sagt Eberhard.

Neutrale Ansprechpartner

Auch in den anderen Bundesländern sind die Anliegen ähnlich, bestätigt Dagmar Zwinz von der Koordinationsstelle für das Lehrlingscoaching und das Lehrbetriebscoaching. Hier laufen alle Fäden zusammen und treffen die Informationen aus den Bundesländern ein. "Natürlich wollen wir unser Angebot weiterentwickeln und verbessern, da helfen uns Daten darüber, welche Anlässe es gibt und wie darauf reagiert wurde." Die Daten seien aber immer anonymisiert und somit nicht personenbezogen. Die Bilanz fällt nach einem Jahr jedenfalls positiv aus: "Es ist etwas Besonderes, dass es ein solches Angebot speziell für Lehrlinge gibt – nämlich kostenfrei, kurzfristig und anonym", sagt Zwinz. Jeder könne selbst entscheiden, wann es losgeht und wann man das Coaching wieder beenden will. "Wir übernehmen dort, wo die Verantwortung im Betrieb beispielsweise endet. Dass es für solche Fälle neutrale Ansprechpartner gibt, ist enorm wichtig", sagt Zwinz.

Voraussetzung für ein Erstgespräch ist, dass es einen Lehrvertrag gibt oder gegeben hat – auch wer eine Lehrstelle verloren hat, kann das Angebot in Anspruch nehmen. Allerdings darf der Verlust nicht länger als sechs Monate zurückliegen. "Für uns ist prioritär, dass die Jugendlichen ihren Abschluss machen", sagt Eberhard. Wenn nur noch ein Lehrstellenwechsel helfen könne, dann unterstütze man auch dabei.

Die Sorgen der Vorgesetzten

Bei den Betrieben seien es in Wien hauptsächlich kleine und mittlere Unternehmen, die das Angebot annehmen, sagt Eberhard. "Oft gibt es in diesen Betrieben nur wenige Lehrlinge, und sie wenden sich an uns, wenn es zu Konflikten zwischen ihnen kommt." Oft würde der Chef selbst kommen, in den anderen Fällen die Ausbildner. Gerade in den letzten Monaten sei es aber öfter um die Integration geflüchteter Lehrlinge gegangen, viele Betriebe würden sich hier überfordert fühlen, sagt Eberhard. Sie ortet jedenfalls keine groben Probleme im Lehrlingsbereich an sich. "Was ich aber wahrnehme, ist, dass die Betriebe, die Lehrlinge ausbilden, zurückgehen." Das sei sehr schade. Eberhard hofft, dass – auch durch Angebote wie die Coachings – der Trend wieder in die andere Richtung gehen werde. (Lara Hagen, 5.12.2016)