Zwei Tage Lehrlingsforum: Max Blaschitz und Rafaela Ramos (beide Lehrlinge bei Raiffeisen) challengen AMS-Chef Johannes Kopf auf dem "heißen Stuhl" in puncto Arbeitsmarkt. Karin Bauer hat moderiert.

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Vor sieben Jahren haben rund 40.000 Junge – grob gerechnet 15 Prozent der Fünfzehnjährigen – eine Lehre begonnen. Im Vorjahr waren es nur mehr 28.000. Das hat viele Gründe, wie der Lehrlingsspezialist der Wirtschaftskammer, Alfred Freundlinger, erklärt: einerseits die demografische Kurve (weniger Junge). Andererseits die Bildungsexpansion. Plus, so ergänzen die Personalchefs und Ausbildner im Auditorium des Business-Circle-Lehrlingsforums überspitzt: Wer früher nach Erfüllung der Schulpflicht halt arbeiten ging, der bleibt jetzt im Lehrlingspool, weil es die Hilfsarbeiterjobs so nicht mehr gibt.

So steht letztlich ein großer Akademisierungsimperativ einem vielfach beklagten Fachkräftemangel gegenüber. Dass immer weniger Unternehmen Lehrlinge ausbilden, gehört auch zu den Tatsachen. Dass Eltern ihre Kinder durch die Matura peitschen, weil die Durchlässigkeit des Bildungssystems vom Lehrplatz weg oft eine theoretische ist, müsse auch erwähnt werden, sagen die Teilnehmer.

Kein Gejammer mehr

Wobei die Wirklichkeiten sehr verschieden sind: Während etwa A1 Telekom viel investiert und Dutzendschaften durch mannigfaltige fächerübergreifende Ausbildungen bugsiert, hat wohl der Fliesenlegerbetrieb andere Rahmenbedingungen für seinen Lehrling.

So weit oft gehört: Unternehmen beklagen die geringen Fähigkeiten der Pflichtschulabgänger in den Basisfächern. "Stoppen wir dieses Gejammer", ruft Michael Pichler, Personalchef der Baumarktkette Obi seinen Kollegen zu, "gehen wir in die Pflichtschulen, und nehmen wir auch den Eltern die Angst vor der Sackgasse Lehre." Und: "Hören wir doch auf, die jungen Menschen zu Tode zu testen. Uns sind die Lehrlinge längst abhandengekommen. Wir haben ja keine Wahl." Es gehe nur mehr um die bestmögliche Begleitung und Hinführung ins Berufsleben.

Oft vergessen: Die Ausbildner

Dass Unternehmen sich "massiv öffnen" müssten, sagt Pichler auch und erntet zumindest beim Kongress Zustimmung. Auch in Sachen Integration. Auch in Sachen Lehre für Ältere und Lehre nach der Matura. Auch was Lehre als zweiten Bildungsweg mit Förderung des Unternehmens betrifft. Ein oft wenig beleuchtetes Thema: die Qualifizierung der Ausbildner. Und deren Wertschätzung. Plus deren Bedeutung: "Oft ist es ja so, dass die Leute etwas für den Ausbildner oder ihm zu Fleiß tun", sagt Pichler. Und: "Bei der Auswahl nicht ordentlich hinschauen, Junge reinstecken, ein Mangel an Struktur und Plan – das ruiniert die Lehre sicher." Generell: Potenziale werden wichtiger, nicht Berechtigungen – auch wenn Firmen noch an diesen hängen.

Ein Asset des Lehrlingsforums in Wien: Nicht bloß die "Alten" reden gescheit über die Betroffenen, sondern diese geben Feedback, stellen ihre Fragen, reflektieren im Plenum. Rafaela Ramos und Max Blaschitz, beide im dritten Lehrjahr bei der Raiffeisenlandesbank, forderten auch den Chef des Arbeitsmarktservice, Johannes Kopf.

Neue Skills und Trends

Wie sieht der Arbeitsmarkt der Zukunft aus? Können wir damit rechnen, dass das AMS uns mit Umschulungen begleitet, wenn es unsere Arbeitsplätze (in der Kundenberatung) nicht mehr gibt? Jedenfalls hat das AMS das Suchen und Finden auf neue Beine gestellt – "Skill-Matching" paart jetzt nach Kompetenzen. Vielleicht ein erster Schritt hin zur Überwindung der Fachgrenzen auch in den Ausbildungsprofilen.

Kopf: "Wir sehen daran auch, was die neuen Skills sind" – etwa Erdwärme bei Installateuren oder Metalle kleben statt schweißen oder nieten. Dass Roboter für einen Kahlschlag im Bereich der Arbeit sorgen, glaubt er nicht: Ja, Jobs werden wegfallen, aber neue werden kommen, von denen wir noch nichts wissen, sagt Kopf. Menschen ohne Qualifikation würden "nicht mehr gebraucht", so weit lasse sich "ein großer Trend" erkennen. Das müsse man via Bildungssystem lösen. "Wir werden Arbeit haben, wenn wir Ausbildung haben", so der AMS-Chef. Dass Personalchefs eigentlich schlecht schlafen müssten, denkt er sich auch. (kbau, 7.12.2016)