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Kein Scherz: Nico Rosberg fährt nicht mehr schnell im Kreis.

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Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff umarmt seinen Weltmeister.

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Eine Karriere im Überblick.

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Wien – Nur fünf Tage nach dem Gewinn seines ersten WM-Titels hat Nico Rosberg seine Formel-1-Karriere beendet. Der 31-Jährige verkündete seinen Entschluss auf einer Pressekonferenz am Freitag kurz vor der Saisonabschlussgala des Weltverbands in der Wiener Hofburg. "Ich folge meinem Herzen. Es fühlt sich einfach richtig an", sagte Rosberg.

Was eine stinknormale Pressekonferenz hätte werden sollen, ein Larifari über eine anstrengende Saison, eine Verabschiedung in den Urlaub, endete mit einem Paukenschlag. In seinen Eingangsworten freute sich Rosberg über die Pokalübergabe, im nächsten Satz erklärte er seinen Rücktritt. Die versammelten Journalisten waren völlig baff, man glaubte, sich verhört zu haben.

Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff wurde von Rosbergs Entschluss Anfang der Woche überrascht. "Es ist eine mutige Entscheidung von Nico und ein Beweis für die Stärke seines Charakters", sagte Wolff, der keine Chance sah, den Weltmeister umzustimmen: "Die Klarheit, mit der er dieses Urteil gefällt hat, hat mich dazu bewegt, seine Entscheidung sofort voll zu akzeptieren."

206 Grand-Prix-Rennen

Der Sohn des finnischen Ex-Weltmeisters Keke Rosberg fuhr zehn Jahre lang in der Formel-1 und spulte 206 Grand-Prix-Rennen ab. Dabei feierte er 23 Siege, alle für Mercedes. Bemerkenswert: Rosberg verpasste kein einziges Rennen und liegt damit klar vor dem Italiener Riccardo Patrese, der es auf 187 Rennen in Folge brachte, an der Spitze.

Rosberg will sich zukünftig mehr seiner Familie, seiner Frau und seiner einjährigen Tochter widmen. Bis dato stand "überall die Weltmeisterschaft an erster Stelle in meinem Leben". Und also das Duell mit seinem Mercedes-Rivalen Lewis Hamilton, mit dem er dreimal hintereinander um die WM raufte. Zweimal musste Rosberg bittere Niederlagen gegen den Briten einstecken, ehe er in diesem Jahr gewann.

"Ich spüre eine große Erleichterung. In den nächsten Wochen werde ich bestimmt noch mehr verstehen, was dieses Jahr alles passiert ist", sagte Rosberg, der mit seinem WM-Triumph sein Image als ewiger Zweiter ablegte und sich auch von seinem Vater Keke, dem Weltmeister von 1982, emanzipierte. Mercedes muss sich um einen neuen Fahrer umschauen, das soll bis Weihnachten passieren. Aufsichtsratchef Niki Lauda hofft, dass Rosberg "glücklich wird und diese Entscheidung nicht bereut". Lauda hat überhaupt nicht mit dem Rücktritt gerechnet. "Die Lücke von Nico zu schließen ist unmöglich. Wir müssen jetzt neu anfangen zu denken."

Die Suche

Ein Kandidat für Rosbergs Nachfolge bei Mercedes wäre der 22-jährige Deutsche Pascal Wehrlein (Manor). Ex-Weltmeister Jenson Button hat in Abu Dhabi nach eigener Aussage sein letztes Rennen bestritten. Der Finne Valtteri Bottas (Williams) wurde zuletzt immer wieder genannt, wenn ein Cockpit zu vergeben war. Fahrer wie Sebastian Vettel (Ferrari) oder Max Verstappen (Red Bull) sind vertraglich gebunden.

Glücklich macht Rosberg mit seiner Entscheidung freilich seine Mutter, die sich mit dem nicht ungefährlichen Job eines Rennfahrers – vorgeprägt durch die Laufbahn ihres Mannes – nie wirklich anfreunden konnte. Rosberg: "Während des Rennens putzte sie immer zu Hause die Wohnung, machte den Staubsauger an und wartete, bis endlich alles vorbei ist." (sid, red, 2.12.2016)

Meilensteine einer Laufbahn

DAS RENNDEBÜT

12. März 2006, Sachir, Bahrain. Rosberg schafft es als Siebenter in die WM-Punkte und fährt die schnellste Rennrunde. Da ist selbst Vater Keke baff: "Die schnellste Runde im ersten Formel-1-Rennen zu schaffen, ist nicht gerade normal." Und was sagt der Sohn? "Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich gleich am ersten Rennwochenende so sehr freuen kann. Es ist toll." Dabei ist der damals 20-Jährige mit seinem Williams in der ersten Runde noch ins Heck des BMW-Sauber von Landsmann Nick Heidfeld gefahren. "Nach der ersten Kurve dachte ich, es ist gelaufen", meint Rosberg.

DAS PODIUMSDEBÜT

16. März 2008, Melbourne, Australien. Mit 22 Jahren schafft es Rosberg erstmals aufs Podest eines Formel-1-Rennens. "Das ist der Wahnsinn, hier oben zu stehen auf dem Podium. Ich freue mich tierisch", sagt Rosberg. Er wird Dritter. Schneller sind nur der spätere Weltmeister 2008 und jetzige Mercedes-Stallrivale Lewis Hamilton im McLaren sowie Heidfeld.

DER WECHSEL

23. November 2009. Nach vier Jahren bei Williams wird Rosbergs Wechsel zu Mercedes bekanntgegeben, Anfang 2010 geht es los. Der deutsche Autobauer stellt nach Jahrzehnten wieder ein Werksteam – und Rosberg ist zunächst der deutsche Starfahrer. Aber nur ein Monat, bis zum 23. Dezember 2009. An diesem Tag verkündet Mercedes das Comeback des erfolgreichsten Piloten in der Formel-1-Historie: Michael Schumacher. Jahre später gibt Rosberg zu: "Ein Schock" sei es gewesen, als ihm mitgeteilt wurde, wer da sein neuer Teamkollege würde.

DAS POLEDEBÜT

14. April 2012, Shanghai, China. Er fährt erstmals den besten Startplatz heraus. Nicht Schumacher, sondern Rosberg verschafft auch Mercedes einen historischen Moment mit der ersten Pole seit dem Comeback als Werksteam. Rosberg: "Das ist der absolute Hammer, ein gigantisches Gefühl." Die bis damals letzte Pole als Mercedes-Werksfahrer hatte am 11. September 1955 der letztlich fünffache Champion Juan Manuel Fangio geholt.

DAS SIEGDEBÜT

15. April 2012, Shanghai, China. Sieg im 111. Rennen seiner Karriere. Rosberg ist 26 Jahre alt und der erste siegreiche Mercedes-Werksfahrer seit dem legendären Fangio in den 50er-Jahren. "Ich bin unglaublich happy. Der Hammer", sagt er nach dem Großen Preis von China.

NEUER TEAMKOLLEGE

28. September 2012. Mercedes gibt bekannt, dass Hamilton der neue Teamkollege von Rosberg wird. Das deutsche Team mit dem Hauptwerk im englischen Brackley holt den britischen Weltmeister als Nachfolger für Schumacher. Auch eine Ansage an Rosberg.

ERSTE WM-NIEDERLAGE

23. November 2014, Abu Dhabi, Vereinigte Arabische Emirate. Rosberg führt einen aussichtslosen Kampf. Hamilton gewinnt die WM. "Es ist schwer. Die Enttäuschung sitzt schon tief. Ich muss das jetzt erst einmal verarbeiten", sagt Rosberg. Technische Probleme an seinem Mercedes machen alle Hoffnungen zunichte. Beachtenswert: Rosberg hätte seinen maladen Wagen auch einfach abstellen können, er will dieses Rennen aber zu Ende bringen. Er will nicht aufgeben, auch wenn nur Rang 14 dabei herausspringt.

ZWEITE WM-NIEDERLAGE

25. Oktober 2015, Austin, USA. Wieder nur WM-Zweiter. Wieder geschlagen von Hamilton. Der Brite drängt sich gleich in der ersten Kurve mit einem harten Überholmanöver an Rosberg vorbei, nützt sieben Runden vor Schluss einen Fehler seines Rivalen zum entscheidenden Überholmanöver und sorgt für den nächsten Stallkrach der einstigen Kumpels. "Mein Teamkollege versucht, mich verhungern zu lassen. Dass er in mich rein fährt, ist ein Schritt zu viel für mich", klagt Rosberg.

DER WM-TRIUMPH

27. November 2016, Abu Dhabi, Vereinigte Arabische Emirate. Zwei Jahre nach seiner bittersten Formel-1-Niederlage im WM-Finale mit Lewis Hamilton erklimmt Rosberg den Gipfel. Auf dem Yas Marina Circuit sichert sich der gebürtige Wiesbadener cool seinen ersten Weltmeistertitel und streift den Ruf als ewiger Zweiter ab. Endlich hat er seinen Mercedes-Stallrivalen Hamilton geschlagen.

DER FORMEL-1-ABSCHIED

2. Dezember 2016, Wien, Österreich. Damit rechnet nun wirklich niemand. Nico Rosberg verkündet nur fünf Tage nach seinem Triumph seinen Rücktritt. "Am Montagabend habe ich mich dann endgültig zu diesem Schritt entschieden", schreibt Rosberg auf Facebook. (APA, 2.12.2016)