Lauda: "Er kann mir auf keinen Fall einreden, dass ihm diese Kraft ausgeht."

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Topkandidat für das Mercedes-Cockpit: Pascal Wehrlein.

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Wien – Niki Lauda bringt offenbar weniger Verständnis für den Rücktritt von Nico Rosberg auf als viele andere. Dass ein Rennfahrer ein schlechtes Gewissen seiner Frau gegenüber habe, "hat es zu meiner Zeit überhaupt nicht gegeben", meinte die österreichische Formel-1-Ikone im Interview mit Sky. Rosbergs Argument, er habe dieses Jahr so hart kämpfen müssen, "sehe ich nicht als etwas Besonderes an."

Als Formel-1-Fahrer "muss ich auf höchstem Level fahren können", bemerkte Lauda. "Das braucht Kraft. Nico wäre nie so weit gekommen, er hätte nicht schon in den beiden Jahren davor um den WM-Titel mitfahren können, wenn er diese nicht hätte. Er kann mir auf keinen Fall einreden, dass ihm diese Kraft ausgeht." Der Österreicher sagte, er hätte seine Karriere nicht nach dem ersten Titel beendet.

Lauda: "Hätte uns Warnungen geben können"

Rosberg hatte gesagt, dass er weitergefahren wäre, wenn Hamilton zum dritten Mal en suite Weltmeister geworden wäre. "Deshalb wäre es mir, um ehrlich zu sein, lieber gewesen, wenn wir die tolle Fahrerpaarung behalten hätten und Lewis Weltmeister geworden wäre", sagte Lauda. Der Wiener hätte gerne früher gewisse Signale erhalten. "Er hätte uns Warnungen geben können, dass es passieren kann im Fall des WM-Titels. Dann hätten wir uns vorher darauf einstellen können."

Er hoffe, dass Rosberg nun nicht in ein Loch falle. "Wenn du Benzin im Blut hast, kann es schon sein, dass dir etwas fehlt. Ich habe es damals mit anderen Aufgaben kompensiert, habe eine Airline gegründet", erklärte Lauda.

Wehrlein mit guten karten

Im Castingverfahren für das vakante Cockpit bei Mercedes hat Testfahrer Pascal Wehrlein gute Karten. Bei Fernando Alonso hingegen schrillen innerhalb des Daimler-Konzerns die Alarmglocken. Eine Situation wie im Jahr 2007, als sich Alonso und Lewis Hamilton bekriegten, sei "absolut ein Territorium, das ich nicht betreten möchte", stellte Sportchef Toto Wolff am Samstag in Wien klar.

"Wir haben ein Junior-Programm, und wir haben zwei, meiner Meinung nach, der talentiertesten jungen Fahrer da drinnen. Es wäre aufregend, einen der beiden im Auto zu haben", verwies Wolff auf Wehrlein und Esteban Ocon. Der 20-jährige Franzose hat für das kommende Jahr bei Force India einen Platz ergattert, dort könnte man ihn aber relativ leicht rausbekommen, zumal Mercedes das indisch-englische Team mit Motoren beliefert.

"Eine explosive Mischung"

Für Wehrlein, dessen Zukunft nach seiner Debütsaison bei Manor noch unklar ist, spricht, dass er in diesem Jahr fleißig für Mercedes getestet hat, unter anderem mit den neuen, breiten Pirelli-Reifen. "Ja mit Großbuchstaben", antwortete Wolff auf die Frage, ob das ein Vorteil für den Deutschen sei. "Und er hat sich sehr ordentlich angestellt bei den letzten Tests in Abu Dhabi jetzt." Der Teamboss gab zu bedenken, dass Wehrlein und Hamilton "eine explosive Mischung" seien.

"Andererseits werden wir keinen Kompromiss machen und nach interner Evaluierung den Besten nehmen", sagte Wolff in kleiner Runde in der Wiener Innenstadt. Die Frage laute: "Wollen wir wieder zwei gleichwertige Teamkollegen haben, was eigentlich unserer Philosophie entsprechen würde." Genau das soll am Montag im Stützpunkt im englischen Brackley geklärt werden.

Drei Fahrer kommen nicht in Frage

Entscheide man sich für diese Variante, wird in einem zweiten Schritt geprüft werden, wer zu haben ist. "Da gibt es Kandidaten, die nicht verfügbar sind – und das ist eindeutig klar. Die beiden 'Bullen' (Daniel Ricciardo und Max Verstappen; Anm.) sind nicht verfügbar, Sebastian (Vettel; Anm.) ist nicht verfügbar. Alle anderen müssen wir analysieren." Auf die Frage, welche Piloten Wolff seit Freitagnachmittag kontaktiert hätten, antwortete der Wiener: "Alle, die meine Nummer haben."

Im Falle von Ferrari-Star Vettel und dem Red-Bull-Tandem Ricciardo und Verstappen werde man aufrechte Verträge respektieren. Den Weg juristischer Auseinandersetzungen, um jemanden mit Gewalt von einem anderen Rennstall loszueisen, werde man aus Gründen der Integrität "ganz sicher nicht bestreiten", versprach Wolff. Demgemäß kämen also nur Leute mit einer Ausstiegsklausel in Betracht.

Entscheidung fällt vor Weihnachten

Zum Zeithorizont erläuterte Wolff, dass es sinnvoll wäre, im Laufe der kommenden Woche die Entscheidung zu treffen, um das Auto rechtzeitig an die Körpermaße des Piloten anpassen zu können. "Da haben wir mit unseren Buben einen Vorteil, weil beide 3D-gescannt sind und als Ersatzfahrer eben auch eingeplant waren in das Chassis-Design. Das ist natürlich ein Prozess, wenn's wer anderer wäre, den man starten muss."

Die Vertragsauflösung mit Rosberg soll im Übrigen amikal abgewickelt werden. Das Arbeitspapier läuft bis 2018. "Wir werden das einvernehmlich lösen", sagte Wolff, ehe er sich auf den Weg nach Deutschland machte, wo ein Besuch des Mercedes-Benz-Werks in Sindelfingen anstand. Zu diesem Anlass hat sich auch Champion Rosberg selbst angesagt. (APA, 3.12.2016)