Wiens Bürgermeister Michael Häupl beim Wahlkampfabschluss von Van der Bellen am Freitag.

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Wien – Die Regierungsmannschaft ist dieser Tage bester Laune. Alexander Van der Bellen ist Bundespräsident, damit kann zumindest auf Führungsebene in SPÖ und ÖVP fast jeder gut leben. Viele Sozialdemokraten fühlen sich sogar selbst als Gewinner – zumindest ein bisschen. Mit der expliziten roten und indirekten schwarzen Unterstützung für den ehemals grünen Bundessprecher haben die Koalitionäre aber freilich auch dazu beigetragen, dass Norbert Hofer nicht Präsident wurde.

Die Freiheitlichen streuen die Sage, Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner sei durch die Äußerung seiner Präferenz pro Van der Bellen gar für die Niederlage des FPÖ-Kandidaten verantwortlich. Das wies dieser im Ö1-"Mittagsjournal" als "zu viel der Ehre" und Versuch der Blauen, einen Keil in die ÖVP zu treiben, zurück. Was also bedeutet der Wahlausgang für künftig denkbare rot-blaue oder blau-schwarze Koalitionskombinationen?

"Es geht nicht um Sympathie"

In der SPÖ wird aktuell an einem Kriterienkatalog für künftige Koalitionspartner gefeilt. In erster Linie, um eben das Verhältnis zur FPÖ für die Zukunft zu definieren. Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) sieht zumindest diesbezüglich aber scheinbar wenig Grund, sich den Kopf zu zermartern. Im Gespräch mit dem STANDARD stellt er klar: "Ich halte Rot-Blau auf Bundesebene nach der nächsten Nationalratswahl für ausgeschlossen. Es geht da nicht um Sympathie, ich finde keine inhaltlichen Überschneidungen mit dieser Partei."

Bezüglich der Auswirkungen der Bundespräsidentschaftswahl auf die SPÖ hält er fest: "Wer glaubt, dass die Wähler Alexander Van der Bellens von den Grünen oder der SPÖ vereinnahmt werden können, der irrt." Dass sich viele Sozialdemokraten über den Sieg des ehemals grünen Bundessprechers freuen, ist für Häupl aber verständlich: "Er ist der Kandidat, mit dem es eine wesentlich erheblichere Anzahl an Werteüberschneidungen gab."

Auch Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) findet, dass sich die Frage nach einer rot-blauen oder blau-roten Koalition derzeit nicht stelle – allerdings deshalb, weil die Regierung nun "die Ärmel hochkrempelt" und bis zum regulären nächsten Nationalratswahltermin im Herbst 2018 intensiv arbeite, sagt sie.

Der ehemalige SPÖ-Klubchef und Nationalratsabgeordnete Josef Cap ist der Meinung, dass es in der Tagespolitik nun das Bemühen geben müsse, "Wähler beider Kandidaten" – also Van der Bellens und Hofers – für "die Sozialdemokratie zu gewinnen".

Grünaffine Schwarze

Für die ÖVP gehe es jetzt vor allem einmal darum, jene Wählerinnen und Wähler, die vielleicht zum ersten Mal die Hürde überwunden haben, etwas anderes als Schwarz beziehungsweise bewusst einen ehemaligen Grünen zu wählen, wieder an sich zu binden, sagt Politikwissenschafter Ferdinand Karlhofer von der Uni Innsbruck im STANDARD-Gespräch.

Neben Mitterlehner haben sich auch viele ÖVP-Bürgermeister für Van der Bellen ausgesprochen. "Die ÖVP muss jetzt einmal schauen, wie viele große Flächen sie hat, wo schwarz bei der Wahl vorübergehend grün war", sagt Karlhofer. "Allein durch die Berührung zwischen ÖVP und Grünen sind Berührungshemmnisse und Tabus gefallen, was sicher auf längere Zeit Folgewirkungen für die Volkspartei haben wird."

Blau auf einmal schwierig

Und das vor dem Hintergrund, dass nicht genau einschätzbar sei, "wie groß die beiden Flügel in der ÖVP" sind. Also pro FPÖ als Koalitionspartner – Klubchef Reinhold Lopatka hatte sich für Hofer deklariert – oder pro Grüne. Denn "wenn man um die Frage drei – also eine Dreierkoalition – nach der nächsten Nationalratswahl nicht herumkommt, dann wird die Farbe Blau auf einmal schwierig, weil es klare Unvereinbarkeiten gibt, nämlich zwischen Blau und Grün", sagt Karlhofer und beschreibt das Dilemma der ÖVP: "Wer Blau haben will, kann Grün nicht haben, und umgekehrt." Was übrigens auch für die SPÖ gelte.

Diese Flügeldiskussion werde nun in der Volkspartei zu führen sein, zumal "man die klimabereitende Funktion, die das Bundespräsidentenamt hat, nicht unterschätzen sollte". Van der Bellen werde seiner Persönlichkeit entsprechend das Amt erwartbar seriös ausüben. Dazu kämen die bereits erfolgreich praktizierten schwarz-grünen Koalitionen auf subnationaler Ebene, "die durch die Bundespräsidentenwahl zusätzliche flankierende Akzeptanz erhalten." Eine Gemengelage, die laut Karlhofer "durch schwarz-blaue Manipulationsversuche nicht so leicht ins Wanken gerät". (Katharina Mittelstaedt, Lisa Nimmervoll, 6.12.2016)