Zugegeben, dass sich ausgerechnet ein Rennfahrer auf dem Höhepunkt seiner Karriere die Frage nach der Vereinbarkeit von Beruf und Familie stellt, ist überraschend. Mit sofortiger Wirkung verkündete der deutsch-finnische Rennfahrer Nico Rosberg am Wochenende seinen Rücktritt von der Formel 1. Er wolle sich vermehrt um die Erziehung seiner Tochter kümmern, generell mehr Zeit mit seiner Familie verbringen und seine Ehefrau unterstützen. Niki Lauda, Mercedes-Aufsichtsratsvorsitzender und selbst fünffacher Vater, kann die Entscheidung seines Schützlings ganz und gar nicht verstehen.

Dass ein Rennfahrer "gegenüber seiner Frau ein schlechtes Gewissen" habe, weil er sich zu wenig um das gemeinsame Kind kümmere, habe es zu seiner Zeit überhaupt nicht gegeben, sagte Lauda im Interview mit dem Sender Sky Sport. Die österreichische Rennfahrer-Ikone wünscht sich offenbar die 1970er-Jahre zurück. Damals, als Lauda zwischen 1971 und 1985 dreimal den Weltmeistertitel holte, seien die Prioritäten klar gewesen: "Wir haben eine Verantwortung gehabt, für ein Team zu fahren, dafür Leistung abzuliefern. Und das heißt, Weltmeister zu werden." Definitiv keine Zeit, in der die Vereinbarkeitsfrage Männern Kopfzerbrechen verursachte. Traditionelle Arbeitsteilung und Geschlechterrollen waren noch tief im Alltag verankert – nicht nur in den Köpfen, sondern auch in den Gesetzestexten.

Bis Mitte der 1970er-Jahre galt in Österreich ein Ehe- und Familienrecht, das den Mann als Familienernährer und Oberhaupt vorsah. Die Wurzeln des Gesetzes reichten ins Jahr 1811 zurück. Der Mann hatte das alleinige Entscheidungsrecht in Familien- und Erziehungsfragen. Pflicht der Ehefrau war es, unentgeltlich den Haushalt zu führen und Ehemann und Kinder zu versorgen. Erst 1975 wurde das partnerschaftliche Modell in der Ehe eingeführt. Bis dahin konnte der Mann seiner Ehefrau verbieten, berufstätig zu sein. Und erst 1977 wurden Vater und Mutter die gleichen Rechte und Pflichten gegenüber den Kindern eingeräumt. So viel auszugsweise zu Niki Laudas Zeit.

Ist es wirklich diese Ära, die der Rennfahrer für so musterhaft und nachahmenswert hält? Stimmt, einen Vater und Formel-1-Weltmeister, der für das gemeinsame Kind Verantwortung übernimmt und sich partnerschaftlich der Kinderbetreuung widmen will, hat es damals nicht gegeben. Frauenrechtlerinnen sei Dank, dass sich seither einiges geändert hat. (Christine Tragler, 6.12.2016)