Joachim Zelter,

"Briefe aus Amerika. Ein Roman".

€ 19,60 / 192 Seiten. Klöpfer & Meyer Verlag, Tübingen 2016

Foto: Kloepfer und Meyer

Amerika, du hast es – besser? Wer das noch immer glaubt, hat Joachim Zelters Briefe aus Amerika noch nicht gelesen. Nun liegt der Erstlingsroman, 1998 in einem Kleinstverlag erschienen, des 1962 geborenen, in Tübingen lebenden Autors, sacht überarbeitet, wieder vor. Und er erweist sich als Höhepunkt literarischer Höchstkomik.

Es ist ein durchaus autobiografischer Roman. Der schon hinreißend einsetzt mit der alexandrinischen Binnenordnung der Institution namens Universität. Nach fünf Jahren, wir sind Mitte der 1990er-Jahre, hat das Roman-Ich nun seine Promotion in englischer Literatur abgeschlossen, der es betreuende Ordinarius ist mehr als zufrieden damit. Und vermittelt dem Anglophilen ein Auslandsjahr – in den Vereinigten Staaten von Amerika. An der Yale University. Ein Jahr, das sich als urkomische Apokalypse in der Nussschale erweist.

Er, der Anglist, muss Kurse geben für – Deutsch als Fremdsprache. Völlig überfordert und eingeschüchtert von einem alle angeblich pädagogisch wie intellektuell haushoch überragenden, ja genialen, dabei höchst ominösen Dozenten namens Schwartz, der eine obskure Philosophie des Fingers veröffentlicht hat, gerät er in abgrundtief komische Situationen.

Alles Fake

Schon die Busfahrt vom New Yorker Kennedy Airport nach New England ist augenöffnend: Das soll Neuengland sein? Was ist hier auch nur irgendwie englisch? Ort geht in Ort über, Ruine reiht sich an Ruine. Was nicht vernagelt, zermüllt, zerschlagen ist, sind einzig die Friedhöfe. Die neogotische Architektur des Campus von Yale? Alles Fake. Fatales reiht sich aneinander. Durch labyrinthische Gänge tastet er sich.

Eine Substandardwohnung findet er, natürlich im höchsten Gebäude der Stadt eines der winzigen ebenerdigen Löcher. Eine offensichtlich Geistesgestörte, die im Hof lautstark Name nach Name rezitiert, lässt er, der Deutsche, von der Polizei abholen – und es stellt sich heraus: Sie las das Kaddisch für die Opfer der Shoah.

Die schwerreiche Yale University residiert in einer der ärmsten Städte des Nordostens, in New Haven. Ein Aufstand in Downtown mit Straßenschlachten und Plünderungen führt zur Abschottung des Campus, mittendrin der deutsche Dozent, eine Kreuzung aus Don Quijote, Woody Allen und "Stoneface" Buster Keaton, der wie stets zur falschen Zeit am falschen Ort ist. Und am Ende mitten im Polizeischeinwerferlicht steht.

Joachim Zelter hat nicht nur eine glänzende Wissensweltsatire geschrieben, sondern eines der ironischsten, abgedrehtesten und komischsten Bücher der Jetztzeit. Glücklich, wer diesen Roman, bei dem man höchlichst aufpassen muss, weil die Gefahr hoch ist, vor schallendem Lachen unkontrolliert vom Fauteuil zu fallen und sich mehr als nur den Musikantenknochen zu schädigen, und alle anderen Zelter-Bücher, etwa die kolossal absurde Politsatire Der Ministerpräsident, noch vor sich hat. (Alexander Kluy, 11.12.2016)