Der Eiffelturm ist von einer Dunstglocke aus Feinstaub umgeben.

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Rachid hatte am Donnerstag Pech. Der 30-jährige Klempner hätte eine wichtige Ladung in den Süden von Paris transportieren sollen. Aber er hatte das falsche Auto. Oder besser, die falsche Nummer. Denn am Donnerstag, dem 8. Dezember, waren in der französischen Hauptstadt nur gerade Autonummern zugelassen. Rachids Lieferwagen ist indes auf eine ungerade Nummer immatrikuliert. Am Freitag, dem 9. Dezember, waren wieder die ungeraden Nummern an der Reihe – doch da kam die Ladung zu spät.

Mit der "circulation alternée", zu Deutsch Wechselverkehr, bekämpften die Pariser Stadtbehörden diese Woche den Wintersmog – den schlimmsten und hartnäckigsten seit einem Jahrzehnt. Der Anteil der Feinstaubpartikel in der Luft übersteigt die Schwelle von 80 Mikrogramm pro Kubikmeter seit fast einer Woche. Hauptursachen sind Autoabgase und die Holzverbrennung. Die Spitze des Eiffelturms steckt in einer Dunstglocke. Nicht nur Kinder und ältere Menschen husten. Die zuständigen Arztpraxen sind überlaufen.

Windstille ist schuld

Mitschuld ist die aktuelle Windstille. Die kalte, staubgesättigte Luft bleibt damit unbeweglich am Boden. Dieses sogenannte Inversionswetter belastet auch andere französische Städte wie Lyon, das am Donnerstag erstmals den Wechselverkehr einführte. Paris hatte ihn in den letzten 20 Jahren schon viermal angeordnet, aber noch nie länger als zwei Tage. Jetzt lernen die Pariserinnen und Pariser erst richtig damit umgehen. Wie Rachid leiden zahllose Kleinunternehmen, die nur ein einziges Fahrzeug haben. Großfirmen können leichter umsatteln, und die Taxis oder Mitfahrzentralen wie "Blablacar" sind ausgebucht wie nie. Sitzen nämlich mehr als drei Personen im Auto, darf es auch mit der "falschen" Nummer zirkulieren. Auch Notfallfahrzeuge haben freie Fahrt.

Die Ausnahmen sind so zahlreich, dass das Verkehrsaufkommen kaum geschrumpft ist. Die für die Luftqualität zuständige Behörde Airparif geht von einer Verkehrsabnahme von bloß fünf bis zehn Prozent aus.

Bußgeld droht

Ganz offensichtlich ist die Bußgelddrohung von 22 Euro nicht genug abschreckend. Dabei sind Bus, Bahn und Metro derzeit gratis. Aber auch Premierminister Manuel Valls war am Dienstag mit einer 041-Nummer zur Amtsübergabe in den Elysée-Palast gefahren, obwohl seine Limousine an dem geraden Tag Fahrverbot hatte.

Die an den Einfallsachsen stationierten Polizisten belassen es aber häufig bei einer Verwarnung, sofern die Entschuldigung genug charmant oder sonstwie überzeugend vorgebracht wird. In der Pariser Agglomeration wurden diese Woche tageweise über 400 Kilometer Stau gemessen – fast so viel wie an normalen Tagen.

Am Wochenende verzichten die Behörden auf den Wechselverkehr, da weniger Autos unterwegs sind und der Wind etwas auffrischen dürfte. Für nächste Woche wird aber erneut eine Inversionslage vorhergesagt. Paris hat noch nicht ausgehustet. (Stefan Brändle aus Paris, 9.12.2016)