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Der bisherige Premier Nikola Gruevski wurde erneut Wahlsieger — wenn auch mit Verlusten.

Foto: Reuters / Ognen Teofilovski

Skopje/Sarajevo – "Sie haben Geschichte geschrieben! Sie haben ein Regime mit einem Kuli gestürzt!", rief der Chef der Sozialdemokraten Zoran Zaev in der Nacht von Sonntag auf Montag seinen Anhängern vor dem Parlament in Skopje zu. Das war ein bisschen voreilig. Denn tatsächlich hat die sozialdemokratische Opposition (SDSM) zwar massiv dazugewonnen. Sie liegt bei 36,7 Prozent der Stimmen, 2013 bekam sie nur knapp über 25 Prozent.

Doch trotzdem bleibt die nationalkonservative VMRO-DPMNE, die seit zehn Jahren an der Macht ist, laut den vorläufigen Ergebnissen Wahlsiegerin. Sie bekam über 38 Prozent der Stimmen, verlor allerdings fünf Prozent. Zwischen den beiden Parteien liegen nur etwa 17.000 Stimmen. Das Parlament hat 120 Sitze, die VMRO erreichte der Wahlkommission zufolge 51 Mandate, die SDSM 49. Entscheidend für die Regierungsbildung sind die Parteien der Albaner, die oft die Königsmacher in dem Balkanstaat sind, der unter Premier Nikola Gruevski und seiner Clique in den vergangenen Jahren immer autoritärer, korrupter und intransparenter wurde.

Albaner gegen alte Koalition

Etwa ein Viertel der 2,1 Millionen mazedonischen Bürger sind Albaner. Diesmal haben einige von ihnen die Sozialdemokraten gewählt, um die bisherige Regierung zu stürzen, viele andere haben sich von der bisher mitregierenden DUI abgewandt und etwa die neue Partei Besa gewählt. Die DUI verlor fast die Hälfte ihrer Wähler und liegt nun bei 7,3 Prozent. Trotzdem dürfte sich eine Neuauflage der alten Koalition zwischen VMRO und DUI ausgehen, was aber unter vielen Albanern schlecht ankommen würde. Premier Nikola Gruevski ist geradezu verhasst unter ihnen.

Zudem würde es sich um eine Koalition der Wahlverlierer handeln. Der Südosteuropaexperte Florian Bieber von der Universität Graz denkt zudem, dass im Fall einer "alten" Koalition der Druck der Straße steigen würde. Eine zweite Option wäre eine große Koalition, die aber nur unter massivem Druck der EU zustande kommen könnte – denn die beiden Lager misstrauen einander zutiefst.

Eine große Koalition könnte allerdings den Namensstreit mit Griechenland lösen und Maze donien endlich aus der Blockade führen. Griechenland legt wegen des Namensstreits – eine Region in Nordgriechenland heißt ebenfalls Mazedonien – seit Jahren ein Veto gegen den Nato- und den EU-Beitritt des Nachbarlands ein. Eine dritte Option wäre eine Koalition der SDSM mit mehreren albanischen Parteien.

Dominanz gebrochen

Dafür plädiert auch Bieber. Er denkt, dass die EU nun versuchen sollte, eine solche Regierung zu ermöglichen, mit dem Ziel, rechtsstaatliche Strukturen wiederherzustellen. "Eine große Koalition würde vielleicht formal zu einer Deeskalation beitragen, nicht jedoch zu einer Aufklärung und Herstellung der Rechtsstaatlichkeit", so der Politologe.

Die Wahlen wurden monatelang mithilfe der Europäischen Union vorbereitet. Seit dem Ausbruch der größten innenpolitischen Krise im Frühjahr 2015, die den kleinen Balkanstaat beinahe in unkontrollierbares und von Gewalt gezeichnetes Chaos gestürzt hatte, versuchten die EU und die USA wieder Rechtsstaatlichkeit einzuführen und installierten eine Sonderstaatsanwaltschaft.

"Das knappe Wahlergebnis zeigt, dass die Wahlen zwar keine Lösung gebracht, doch zumindest die absolute Dominanz der VMRO gebrochen haben", meint Bieber. Regimewechsel sind in Südosteuropa schwierig, weil die oft ethnisch orientierten Regierungsparteien die Abhängigkeit der sozial bedürftigen Wähler ausnutzen und ihnen Jobs im Austausch für Wählerstimmen anbieten.

Chance für Rechtsstaat

Nach den vorläufigen Ergebnissen liegt nun alles in der Hand der DUI, denn ohne ihre Mandate kann weder die VMRO noch die SDSM eine Regierungskoalition bilden. Wenn die Partei, die aus ehemaligen Kämpfern der Nationalen Befreiungsarmee (UÇK) hervorging, wieder mit der VMRO koalieren sollte, werden die Sonderstaatsanwaltschaft und die Gerichte Amtsmissbrauch und Korruption wohl nicht aufklären können. Das Regime hat die Justiz ziemlich unter Kontrolle.

Allerdings würde die DUI mit der "alten" Koalition unter den Albanern weiter verlieren. Eine vierte Option wären Neuwahlen – kommendes Jahr finden ohnehin Lokalwahlen statt. Die Wahlbeteiligung war diesmal mit knapp 68 Prozent sehr hoch. In den vergangenen Monaten hatten viele Mazedonier wieder Hoffnung geschöpft, dass die Wahlen diesmal fairer und gerechter organisiert sein würden.

Tatsächlich zeigten sich die Wahlbeobachter mit dem Ablauf der Wahlen grundsätzlich zufrieden. Das Parlament hat nun 20 Tage Zeit, sich zu konstituieren. Dann muss der Präsident innerhalb von zehn Tagen den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen. (Adelheid Wölfl, 12.12.2016)