Videospiele unabhängiger Entwickler haben das Jahr 2016 für Spielerinnen und Spieler bunt und abwechslungsreich, aber auch schwierig gestaltet: Wie soll man sich zwischen den buchstäblich tausenden Spielen entscheiden, die im Minutentakt veröffentlicht werden? Der GameStandard begleitet seit bald fünf Jahren seine Leserschaft auf der ergiebigen Perlensuche in diesem endlosen Ozean. Hier noch einmal eine – augenzwinkernde – Prämierung der Höhepunkte des Indie-Jahres 2016.

Die beste Story: Firewatch (Windows, Mac, Linux, PS4, Xbox One, 19,99 Euro)

Als einsame Feuerwache in einem amerikanischen Nationalpark einen Sommer lang darauf achten, dass nichts anbrennt: Das First-Person-Abenteuer begeisterte nicht nur durch die im hübschen Cartoon-Look dargestellte Natur, sondern auch durch originelle Erzählweise und eine Geschichte, die trotz gruseligen Mystery-Teils auch berührend persönlich und emotional wird. Besonders originell: Die im Spiel per Wegwerfkamera geschossenen Erinnerungsbilder konnten digital eingeschickt und als echte Fotos bestellt werden. Ein Abenteuer, an das man sich nicht nur deshalb gern zurückerinnert.

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"Firewatch" im Test: Brillantes Krimiwandern im Feuerwald

WIRSPIELEN

Die besten Puzzles: The Witness (Windows, PS4, Xbox One, 36,99 Euro)

Jonathan Blow, der mit seinem Ausnahmepuzzler "Braid" zu den ersten Superstars der Indie-Szene zählt, hat mit "The Witness" ein Puzzlespiel wie kein zweites vorgelegt: Das Wandern auf einer wunderschönen, verlassenen Insel wird durch die überall zu findenden kniffligen Rätseltafeln zu einer wahren Marathonanstrengung für jedes Spielergehirn. Das Lösen der immer logischen, aber zunehmend schwieriger werdenden Puzzles bescherte Spielerinnen und Spielern 2016 so manche Frustrations-, aber auch zahllose Glücksmomente, wenn einem endlich ein Licht aufging.

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"The Witness" im Test: Traumreise in die Rätselhölle

GOG.com

Der beste WTF-Moment: Inside (Windows, PS4, Xbox One, 19,99 Euro)

Der erste Titel des dänischen Studios Playdead, "Limbo", war ein zeitloser Indie-Klassiker, mit "Inside" übertreffen sich die Macher aber selbst: Die Perfektion und Leichtigkeit, mit der dieses düstere Action-Adventure ganz ohne Worte seine Geschichte erzählt, dabei wie nebenher originelle Physikrätsel aufgibt und in Optik und Akustik souverän glänzt, ist bemerkenswert. Noch bemerkenswerter ist allerdings ein Moment im Spiel, der hier nicht verraten werden soll. Nur so viel: Sie werden sich wundern, was alles möglich ist.

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"Inside" im Test: Ein albtraumhaftes Meisterwerk

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Das beste Retro-Feeling: Hyper Light Drifter (Windows, Mac, Linux, PS4, Xbox One, 19,99 Euro)

Nostalgie, schön und gut, aber das Kunststück, die vielzitierten historischen Pixelvorbilder in Sachen Ästhetik und Gameplay zu übertreffen, gelingt den wenigsten Entwicklern. "Hyper Light Drifter" ist durch seinen außergewöhnlich gelungenen Stil, aber auch durch ebenso forderndes wie begeisterndes Gameplay endlich einmal ein würdiger Erbe der großen Kultspiele à la "Legend of Zelda". Vorsicht: Auch die alte Härte der Games-Vorzeit lebt hier wieder auf.

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"Hyper Light Drifter" im Test: Knallbunt, knallhart und tödlich

Heart Machine

Die beste Realitätsflucht: Stardew Valley (Windows, Mac, Linux, PS4, Xbox One, 13,99 Euro)

Für viele wohl das Spiel des Jahres, seit kurzem auch für Konsolen erhältlich, und eine herzerwärmende Indie-Erfolgsgeschichte: Das Bauernhofspiel eines einzelnen Entwicklers konnte 2016 Millionen stadtmüde Spielerinnen und Spieler in seine bei großen Klassikern wie "Harvest Moon" und "Animal Crossing" abgeschaute Puppenhauswelt locken, in der die persönliche spielerische Selbstverwirklichung wichtiger ist als sonst allzu oft geforderte Effizienz. Kleine Warnung: Wer einmal in die bunte Idylle abtaucht, will sie so schnell nicht wieder verlassen.

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"Stardew Valley" im Test: Der Bauernhof, der Spielerherzen erobert

ConcernedApe

Der beste Politthriller: Orwell (Windows, 9,99 Euro)

Soeben erst veröffentlicht, hat sich "Orwell" absolut einen Platz in dieser Jahresbestenliste verdient – und sollte eigentlich, in einer besseren Welt, als Bestandteil politischer Bildung in jeder Schule gespielt werden. Das originelle Spiel deutscher Entwickler versetzt Spielerinnen und Spieler in die Rolle eines staatlichen Überwachers, der aus den digitalen Spuren verdächtiger Personen aussagekräftige Profile für den mächtigen Sicherheitsapparat erstellt. Die spannende Thrillerhandlung um Terrorismus und die Gefahren der totalen Überwachung findet vollständig auf einem simulierten Desktop mit Zugang zum spieleigenen Internet statt und führt einem die eigene Existenz als gläserner Mensch schockierend vor Augen. Äußerst unterhaltsam – und nachhaltig beängstigender als so manches Horrorspiel.

Surprise Attack

Der beste Ozean: Abzû (Windows, PS4, Xbox One, 19,990 Euro)

Die fast unendlichen Weiten der Ozeane werden viel zu selten in Spielen besucht und waren niemals zuvor so betörend schön wie in "Abzû". Das Spiel aus dem Umkreis der Entwickler des Kultspiels "Journey" verzichtet wie dieses auf klassische Spielmechanik und setzt stattdessen auf die hypnotische Schönheit der Bewegung durch eine Unterwasserwelt, die vor Leben nur so wimmelt. Zusammen mit der sensationellen Orchestermusik von Austin Wintory wird der spielerische Tauchgang so zu einer der atmosphärischsten Spielerfahrungen des Jahres.

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Indie-Game der Woche: "Abzû"

pressakey.com

Der beste Stress: Darkest Dungeon (Windows, MAc, Linux, PS4, PS Vita, 22,99 Euro)

Nach über einem Jahr im Early Access erblickte bereits Anfang des Jahres das wohl gemeinste Rollenspiel des Jahres ganz offiziell in seiner finalen Version das Licht der Welt. In "Darkest Dungeon" werden wie in anderen Rollenspielen auch tapfere Helden in monsterverseuchte Gemäuer geführt, doch nirgends sonst nimmt diese das so sehr mit wie hier: Weil die ständig Gefahren und Stress ausgesetzten Abenteurer jede Menge psychische Belastungsstörungen ansammeln, sind Spielerinnen und Spieler als gestrenge Expeditionsleiter stets mit dem Aufpäppeln neuen Nachschubs beschäftigt. Toller Artstyle, fesselnde Kämpfe und erstaunliche taktische Tiefe machen "Darkest Dungeon" zum Ausnahmerollenspiel für Hartgesottene. Schon Anfang nächsten Jahres soll DLC-Nachschub folgen.

Nachlese

"Darkest Dungeon" angespielt: Paranoid im Monsterkeller

Red Hook Games

Das emotionalste Spiel: That Dragon, Cancer (Windows, Mac, Ouya, 9,49 Euro)

Wer meint, dass Spiele als ewig juveniler Zeitvertrieb zu keiner tiefgreifenden Auseinandersetzung mit den großen Themen anderer kultureller Medien fähig sind, sollte sich nach "That Dragon, Cancer" von seinen Vorurteilen verabschieden. Das autobiografische Spiel begleitet das Leben und Sterben eines fünfjährigen Kindes aus der Perspektive seiner Eltern, die ihrem Sohn damit ein berührendes und erschütterndes Abschiedsgeschenk machen. Dabei drückt das Spiel nicht sentimental auf die Tränendrüse, sondern ist ein beeindruckendes interaktives Denkmal nicht eines Todes, sondern eines wenn auch kurzen Lebens. Ein wichtiges Spiel, von dem noch lange die Rede sein wird.

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That Dragon, Cancer

Numinous Games

Die größte Fallhöhe: No Man’s Sky (Windows, PS4, 59,99 Euro)

Über kaum ein Spiel wurde im vergangenen Jahr so viel gejubelt und geschimpft wie über das monumentale, prozedural generierte Universum von Sean Murray. Auch wenn Horden sich getäuscht sehender Käuferinnen und Käufer widersprechen mögen, bleibt "No Man’s Sky" eine beeindruckende Leistung, die, wenn’s wahr ist, durch soeben anrollende Nachbesserungs-Patches noch an Attraktivität zulegen wird. Dass die das Spiel mit großem Bombast begleitende Hype-PR dem Spiel eines kleinen Indie-Studios dabei sowohl für Rekordverkäufe wie auch Rekordenttäuschung verantwortlich gemacht werden muss, ist eine Lektion, die sich hoffentlich auch größere Entwickler zu Herzen nehmen sollten. Bis dahin bleibt "No Man’s Sky" das, was es schon vor Erscheinen war: ein fast leerer Sehnsuchts- und Projektionsraum für große Erwartungen, in dem sich manche weit weniger langweilen als andere. (Rainer Sigl)

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"No Man's Sky" im Test: Das Universum ist meins

Nachlese

"No Man's Sky": Riesiges Gratis-Update soll enttäuschte Spieler entschädigen

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