Gegner des Kreuzes in Klassenzimmer kritisieren, dies würde die Trennung von Kirche und Staat missachten. Doch Werte sind in allen Kulturen mit Religionen verbunden.

Foto: APA/Ralf Hirschberger

Bildungsministerin Sonja Hammerschmid hatte im Oktober eine alte Idee neu verpackt: Das Kreuz in den Klassenzimmern soll keine juridische Selbstverständlichkeit mehr sein. Die fakultative Abschaffung von Schulkreuzen wurde in den Reformplan mit dem Packpapier "Schulautonomie" gewickelt. Wenn künftig die Schulleiter und Schulleiterinnen mehr Autonomie in der Gestaltung des Schullebens haben, so soll das auch so weit führen, dass sie entscheiden können, ob Schulkreuze hängen dürfen oder nicht.

Hammerschmid musste ihr Vorhaben einer schulautonomen Entscheidung über die Schulkreuze zurückziehen. Der Koalitionspartner stellte sich klar dagegen. ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka sieht im Kreuz einen "zentralen Wert" unserer Kultur, den es zu erhalten gelte. Die Landesschülervertretung von Tirol sprach sich in einer Presseaussendung dezidiert für das Beibehalten der Kreuze aus. Darin heißt es unter anderem: "Wir müssen das Kreuz nicht aus den Unterrichtsräumen verbannen, um den Eindruck einer freien und toleranten Gesellschaft zu vermitteln. Das Kreuz ist nicht nur Symbol für die christliche Religion. Es ist vor allem auch ein Symbol für überreligiöse Humanität und Barmherzigkeit."

Die gesetzlichen Regelungen

Derzeit müssen in Schulen, an denen die Mehrzahl der Schüler einem christlichen Glaubensbekenntnis angehört, in allen Klassenräumen Kreuze hängen. Für Pflichtschulen, für die die Bundesländer zuständig sind, gibt es in Salzburg, dem Burgenland, in Oberösterreich, Tirol und Vorarlberg strengere Regeln. Dort muss sich in jedem Klassenzimmer ein Kreuz an der Wand befinden. Wo weniger als die Hälfte der Schüler und Schülerinnen Christen sind, müssen die Kreuze nicht abgehängt werden. Hier darf bereits die Schule autonom entscheiden.

Befürworter der Abschaffung des Kreuzes behaupten, es sei Symbol der katholischen Kirche in der Schule, die ein öffentlicher Ort sei und weltanschaulich neutral sein solle. Das Kreuz an der Klassenwand würde die Trennung von Kirche und Staat missachten.

Mehrdeutige Symbole

Der Charakter von Symbolen liegt freilich immer darin, dass sie mehr- und nicht eindeutig sind, dass sie daher interpretationsbedürftig sind. Ein Verkehrsschild, beispielsweise eine Stopptafel, braucht keine Interpretation. Ein Symbol wie ein Kreuz bedarf einer Interpretation. Die Interpretation hängt wesentlich von der Perspektive ab.

Wenn jemand behauptet, das Kreuz sei ein Symbol der Unterdrückung, weswegen es in einem öffentlichen Ort wie der Schule keinen Platz haben dürfe, so ist dies eine individuell nachvollziehbare Sichtweise. Nicht das Kreuz an einer Schulwand ist zu kritisieren, sondern die Kritik gilt jenen, die den Symbolgehalt des Kreuzes ins Gegenteil verkehren.

Das Kreuz im multireligiösen Kontext

Ein zweites Argument der Kreuzgegner lautet, dass dieses Symbol nicht mehr kompatibel sei mit der multireligiösen Situation in den Klassenzimmern. Muslimen und Mitgliedern anderer Religionsgemeinschaften könne das Kreuz nicht zugemutet werden. Ihnen werde, wie es ein HAK-Lehrer aus Salzburg in einem Leserbrief in den "Salzburger Nachrichten" formulierte, "das Kreuz aufs Auge gedrückt".

Es wäre schön, wenn in einigen Schulklassen, die einen multireligiösen Charakter aufweisen, neben das Kreuz auch der Halbmond des Islam, das Zülfikar der alevitischen Gemeinschaft, das Om des Hinduismus oder das Dharma Chakra des Buddhismus gehängt würde. Religiöse Symbole, so würde deutlich gemacht, vertragen sich gut mit- und nebeneinander.

Religion in der Schule

Die Diskussion um die Entfernung von Schulkreuzen ist teilweise eine Stellvertreterdiskussion. Im Hintergrund wollen manche auch den Religionsunterricht abschaffen. Er solle durch einen Ethikunterricht ersetzt werden. Religion sei Privatsache und habe in den Schulen keinen Platz. Kämpferische Atheisten behaupten, die Religionen würden durch ihre Präsenz an den Schulen – sei es in Form von Schulkreuzen oder einem Religionsunterricht – die Schüler und Schülerinnen für ihre Ideologien missbrauchen.

Religion ist jedoch nie nur "Privatsache". Werte sind in allen Kulturen verbunden mit Religionen. Wer daher Werte vermitteln will, wie es im Bildungsauftrag der Schule klargelegt ist, kommt um eine aufgeklärte religiöse Bildung und Erziehung nicht herum, was nicht heißt, dass es nicht auch eine von den Religionen unabhängige Wertevermittlung und ethische Bildung gibt.

Religionen an den Schulen tragen wesentlich zur Charakter- und Herzensbildung bei, schärfen das politische Gespür, fordern zu einem Nachdenken über den Sinn des Lebens heraus. Religionsfreiheit bedeutet eben nicht ein kämpferisches Freisein von Religion, sondern die Freiheit, Religion lernen und erfahren zu können, auch im Kontext von Schule und Unterricht. (Klaus Heidegger, 11.1.2017)