Wien – "Brilliant"! Übersetzt man das englische Wort ins Deutsche, kann es glanzvoll, blendend, geistreich und hervorragend bedeuten – wenn nicht gleich: genial. Auf das London Philharmonic Orchestra treffen fast alle dieser Attribute zu (beim letzten kommt es sehr auf die Art der Verwendung an).

Mit seinem Chefdirigenten Vladimir Jurowski arbeitet der Klangkörper seit mehr als zwölf Jahren zusammen – man befindet sich in einer fühl- und sichtbaren Symbiose. Der orchestrale Glanz erscheint tatsächlich poliert und so nahe der Perfektion, dass er ins Oberflächlich-Blendende übergehen könnte, wenn nicht alles zugleich so stimmig gestaltet wäre.

Jurowski vermag den Klang in Echtzeit zu modellieren, schlafwandlerisch nimmt das Orchester seine Gesten auf und formt geschmeidige Phrasen. In sich dynamisch ist der reiche Sound – stets bravourös, aber eben auch mehr als das. So wurde selbst aus der Valse-Fantaisie in h-Moll von Mikhail Glinka ein funkelndes Gebilde, ebenso wie aus der fulminant und genau auf den Punkt servierten Zugabe, Tschaikowskys Tanz der Gaukler aus der "Schneeflöckchen"-Schauspielmusik.

Emotionale Eruptionen

Schwergewichtiger war da schon die 1. Symphonie Rachmaninows, deren Gefühlsschwere bei Jurowski in besten Händen lag. Diese formten zwar die emotionalen Eruptionen mit fast schreiender Seele nach, gaben das Stück aber nicht dem Taumel preis. So gelangten die originellen Formen zu ihrem Recht, insbesondere der kurios hinausgezögerte Höhepunkt des Finales.

Zuvor hatte man bei Chopins 1. Klavierkonzert seine nicht gerade unmöglichen Aufgaben bestmöglich gelöst und einen luxuriösen Klangteppich geknüpft. Am erst 21-jährigen Jan Lisiecki gab es nichts auszusetzen: Wendigkeit, gepflegtes Spiel war da. Genialität oder Brillanz herauszuhören wäre übertrieben. Bei der Zugabe, Rachmaninows cis-Moll-Prélude op. 3/2 zeigte Lisiecki allerdings dann doch gestalterischen Tiefgang: wuchtig die dynamischen Steigerungen, fein austariert und durchgehört die Akkorde. (Daniel Ender, 21.12.2016)