Ocrelizumab ist ein neu entwickelter humanisierter monoklonaler Antikörper, der in einer internationalen Phase-3-Studien auf seine Wirksamkeit gegen MS geprüft wurde.

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Basel/San Francisco/Barcelona – Eine Behandlung der schubförmigen Multipler Sklerose (MS) mit einem monoklonalen Antikörper gegen B-Immunzellen ist wirksamer als die herkömmliche Therapie mit Beta-Interferon. Gleichzeitig dürfte das Medikament auch bei der ständig fortschreitenden Erkrankungsform positive Effekte zeigen. Das haben zwei internationale Studien ergeben, die nun im New England Journal of Medicine publiziert wurden.

Bei der MS kommt es schubförmig oder permanent infolge einer Autoimmunreaktion zu Entzündungsherden im Gehirn und im Rückenmark. Durch die fehlgeleitete Abwehrreaktion werden die Isolierschichten von Nervenfortsätzen abgebaut. Lähmungserscheinungen sind die Folge. In einer Studie konnten nun gezeigt werden, dass das neue Medikament Ocrelizumab dem bereits zugelassenen Medikament Beta-Interferon in der Behandlung der schubförmig verlaufenden Multiplen Sklerose überlegen ist.

Außerdem hat mit Ocrelizumab erstmals ein Medikament eine Wirkung in der Behandlung der primär progredienten Multiplen Sklerose erzielt und das Fortschreiten der Behinderung verzögert. Die Ergebnisse der international durchgeführten Wirksamkeitsstudien sind am Donnerstag in der Fachzeitschrift "New England Journal of Medicine" veröffentlicht worden.

Signifikante Reduktion der Entzündungsherde

Ocrelizumab ist ein neu entwickelter humanisierter monoklonaler Antikörper, der gezielt die sogenannten CD20-positiven B-Zellen ansteuert, an ihnen bindet und für deren Beseitigung sorgt. Fälschlicherweise im Rahmen der Autoimmunreaktion aktivierte B-Zellen spielen in der Krankheitsentstehung von MS offenbar eine wichtige Rolle. In den in mehr als 40 Staaten durchgeführten Phase-III-Studien wurde die Wirksamkeit von Ocrelizumab bei zwei Formen von Multipler Sklerose (MS) untersucht. In die Studien waren jeweils über 700 Patientinnen und Patienten eingeschlossen.

Bei der schubförmigen MS erhielten die Studienteilnehmer alle 24 Wochen intravenös 600 Milligramm Ocrelizumab und dreimal pro Woche ein Scheinmedikament (für das Beta-Interferon) subkutan oder alle 24 Wochen Placebo (für Ocrelizumab) intravenös und dreimal wöchentlich 44 Mikrogramm Interferon ß-1A subkutan. In der Studie zur primär progredienten MS wurde die gleiche Dosis Ocrelizumab oder eine Placebo-Infusion verabreicht. Beta-Interferon wird seit mehr als 20 Jahren in der Therapie der schubförmig verlaufenden MS verwendet und verringert die Schubrate um rund ein Drittel. Für die Behandlung der primär progredienten MS, die von Anfang an stetig fortschreitend ohne Schübe verläuft, gibt es bisher keine zugelassene und als wirksam nachgewiesene Therapie.

Wie die nun publizierten Studienergebnisse zeigen, konnte Ocrelizumab bei der schubförmigen MS im Vergleich zum bereits auf dem Markt erhältlichen Interferon ß-1A die Zahl der Schübe um 45 Prozent reduzieren. Außerdem konnte durch Magnetresonanztomografie festgestellt werden, dass sich die Zahl entzündlicher Herde im Gehirn um über 90 Prozent verringerte.

Kleinerer Effekt bei progredienter MS

In der zweiten wissenschaftlichen Untersuchung ging es um die Wirkung des neuen Medikaments für die Behandlung der primär progredienten MS, die von Anfang an stetig fortschreitend ohne Schübe verläuft. Hier gab es bislang keine zugelassene, als wirksam nachgewiesene Therapie. In einer Phase-3-Studie hat nun mit Ocrelizumab erstmals ein Medikament gegenüber Placebo eine signifikante Wirkung gezeigt.

So stellte sich heraus, dass durch die Verabreichung von Ocrelizumab die Wahrscheinlichkeit sinkt, dass sich die durch MS bedingte Behinderung weiter verschlechtert. Im Vergleich zum Scheinmedikament zeigte sich, dass sich bei den mit Ocrelizumab behandelten Patienten innerhalb von 120 Wochen die Zeitspanne, in der die Patienten eine Wegstrecke von 7,6 Metern zurücklegen konnten, um knapp 40 Prozent verschlechterte. In der Placebo-Gruppe waren es 55 Prozent.

Die Studien wurden von Ludwig Kappos von der Universität Basel und Chefarzt Neurologie des Universitätsspitals Basel, Stephen Hauser von der University of California San Francisco und von Xavier Montalban von der Universitat Autonoma de Barcelona geleitet. Insgesamt wurde Ocrelizumab in den nun abgeschlossenen Phase-3-Studien gut vertragen. Trotzdem sind weitere Untersuchungen zur Langzeitsicherheit dieser neuen Therapieoption nötig, betonen die Forscher. (APA, red, 22.12.2016)