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Kurz vor Weihnachten, zum Jahrestag der antikommunistischen Revolution des Jahres 1989, gedachten viele Rumänen der Opfer von damals. Das Blutvergießen ging jedoch auch 1990 noch weiter.

Foto: AP / Vadim Ghirda

Bukarest/Wien – Gegen den ersten Staatschef des demokratischen Rumänien, Ion Iliescu, den damaligen Premier Petre Roman sowie mehrere damalige Geheimdienst-, Militär- und Polizeiverantwortliche wurden Strafverfahren wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingeleitet. Die Anschuldigungen beziehen sich auf die gewalttätigen Ausschreitungen vom Juni 1990. Die politische Führung holte damals laut Anklage tausende Bergleute aus dem Jiu-Tal in die Hauptstadt Bukarest, um am dortigen Universitätsplatz eine friedliche Demonstration niederzuschlagen.

Diese Ereignisse gingen als die blutigste "Mineriada" (rumänisch "mineri": Bergleute) in die postkommunistische Geschichte des Landes ein. Vier Menschen wurden dabei erschossen, knapp 1300 wurden Opfer physischer oder psychischer Gewalt, unter anderem infolge brutaler Schlägereien oder unrechtmäßigen Freiheitsentzugs. Bei ihrem Marsch durch Bukarest verwüsteten die Bergleute Räumlichkeiten der Oppositionsparteien und Redaktionen regimekritischer Zeitungen.

Gewalt gegen Bevölkerung

Laut Staatsanwaltschaft gehen die Gewalttaten auf einen von den Angeklagten "beschlossenen, organisierten und koordinierten, umfassenden und systematischen Angriff gegen die Zivilbevölkerung beziehungsweise die Demonstranten am Universitätsplatz" zurück. Ihnen wird damit vorgeworfen, dass sie gezielt gegen die Bevölkerung und deren Recht auf freie Meinungsäußerung vorgegangen seien.

Die Demonstranten waren auf die Straße gegangen, weil sie der neuen, großteils auf alten Strukturen aufbauenden Staatsführung Reformresistenz vorwarfen. Am vehementesten wurde ein Amtsverbot für ehemalige kommunistische Kader gefordert, wie es während der Revolution von 1989 versprochen worden war.

Nach 52 Tagen war die Dauerkundgebung am Universitätsplatz für Iliescu zur realen Bedrohung geworden. Er stellte die Demonstranten als "Hooligans" und "Anarchisten" dar, die die "so opferreich errungene Demokratie" bedrohen würden. Nachdem bereits die Ordnungskräfte brutal gegen die Demonstranten vorgegangen waren, rief Iliescu "alle verantwortungsvollen Kräfte" auf, sich in Bukarest zu versammeln, um angebliche "versuchte Gewaltakte dieser extremistischen Gruppen" zu verhindern. Nach den beispiellosen Gewaltakten der Bergleute dankte ihnen Iliescu für ihr "hohes Zivilbewusstsein".

Späte Rechenschaft

Etwa ein Vierteljahrhundert sah es so aus, als würde niemand dafür Rechenschaft ablegen müssen. Immer wieder wurde der Prozess verschleppt, Verfahren wurden eingestellt oder aufgrund der Wiederwahl Iliescus suspendiert.

Aufgrund von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zugunsten der Opfer wurde das Verfahren jedoch wieder aufgerollt. Nachdem die Militärstaatsanwaltschaft Ende vergangene Woche die Anklage erhoben hatte, erklärte der inzwischen 86-jährige Iliescu, er habe sich "nichts vorzuwerfen". Auch Roman bezeichnete die Anklage als "absurd": Er habe bloß den Verkehr auf einer wichtigen Achse wieder ermöglichen wollen.

2016 hatten bereits zwei Urteile gegen Schergen des Ceausescu-Regimes ein wichtiges Zeichen für die Vergangenheitsbewältigung gesetzt. Durch das Verfahren um die Mineriade setzt man sich nun auch mit den Schattenseiten der ersten demokratisch gewählten, oft als "kryptokommunistisch" bezeichneten Regierung auseinander. Ein weit komplexeres Verfahren um immer noch ungeklärte Ereignisse der rumänischen Revolution von 1989 läuft ebenfalls. (Laura Balomiri, 28.12.2016)