Russlandkritische Stimme: Rossen Plewneliew (52).

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Sofia/Athen – Bulgarien werde zum Gelächter Europas, so hat Rossen Plewneliew, der scheidende Präsident des Balkanlandes, dieser Tage gewarnt. Ob Europa so viel Notiz von der bulgarischen Innenpolitik nimmt, sei dahingestellt. Doch Plewneliews Ärgernis am Ende einer schwierigen Amtszeit wird nun wohl Wirklichkeit: zwei Übergangsregierungen innerhalb weniger Wochen.

Der alte Präsident würde lieber kein Interimskabinett mehr bilden, der neue Präsident will es noch nicht. Denn während es an der Staatsspitze zu einem Wechsel kommt, müssen auch vorgezogene Parlamentswahlen vorbereitet werden. Die Regierung ist im November zurückgetreten. Seither wurstelt Bulgarien im politischen Vakuum vor sich hin. Der einzige Lichtblick: Weder die Wirtschaft noch die Bürger kümmere das viel – so zitierte die bulgarische Nachrichtenagentur Focus nun den Sofioter Soziologen Perwan Simeonow.

Kein Konsens

Am 22. Jänner gibt Plewneliew sein Amt an Rumen Radew ab, den früheren Chef der bulgarischen Luftstreitkräfte. Plewneliews Angebot, sein Nachfolger möge gleich ein Interimskabinett bilden, schlug Radew aus. Der General will sich strikt an die Verfassung halten; die Sozialisten, auf deren Ticket er die Präsidentenwahl im November gewonnen hat, wollen Plewneliew nicht den Abgang erleichtern. Eine Gelegenheit für einen parteiübergreifenden Konsens scheint somit verpasst.

Die bulgarische Verfassung ist recht sparsam in ihren Festlegungen über eine Interimsregierung. Wie lange genau der Präsident sich dafür Zeit nehmen kann, ist nicht geregelt. Das Parlament auflösen und Neuwahlen ansetzen darf Plewneliew in den letzten Monaten seines Mandats nicht. Dies ist Radew vorbehalten. Für die verbleibenden knapp drei Wochen bis zum Amtswechsel aber noch Minister und einen Premier zu finden, dürfte für Plewneliew keine Leichtigkeit sein.

Zwei solche Kabinette hat Plewneliew in seiner fünfjährigen Amtszeit bereits berufen. Das erste im Jahr 2013, als der damalige Regierungschef Boiko Borissow nach Straßenprotesten wegen der sozialen Lage und mafiöser Verhältnisse in der Politik zurückgetreten war; das zweite Übergangskabinett im Sommer 2014, als auch Borissows Nachfolger Plamen Orescharski, ein den Sozialisten nahestehender Ökonom, nach Straßenprotesten und einer Niederlage bei den Europawahlen aufgab.

Fortgesetzte politische Krise

Plewneliew gab seinen Übergangskabinetten weit mehr politische Aufgaben als nur die Organisation von Neuwahlen. Das war eine Antwort auf die durch die Proteste offenkundig gewordenen Mängel der bulgarischen Demokratie. Nach fünf Jahren im Amt muss der Bauunternehmer und ehemalige Minister der rechten Borissow-Regierung aber feststellen, dass sein Land weiter in der politischen Krise steckt.

Diese hat allerdings noch einen weiter gefassten Rahmen, der die anderen Europäer wiederum sehr wohl etwas angeht: Plewneliew hatte sich im Lauf seiner Präsidentenjahre zunehmend als eine russlandkritische Stimme in Osteuropa profiliert. In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung warnte der scheidende Präsident nun vor der Einflussnahme Moskaus auf Wirtschaft, Parteien und Medien in Bulgarien. Anders als in Deutschland oder gar in den USA, wo angebliche politische Manipulationen des Kremls erst jetzt zum Thema geworden sind, war Russlands Einfluss in Bulgarien immer schon eine Konstante der politischen Debatte im Land.

Putin-freundliche Gesinnung

Ein Teil der bulgarischen Wählerschaft – viele Pensionisten, Rechtsnationalisten, die Sozialisten – ist prorussisch gesinnt und zeigt sich beeindruckt von Wladimir Putin. Auch Plewneliews Nachfolger Radew gilt als Putin-Freund, selbst wenn der gewählte Präsident dies in Abrede stellt. (Markus Bernath, 28.12.2016)