Nordkoreas Regierung bereitete das Land jüngst mit Massenaufmärschen auf einen Raketentest vor.

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35 Jahre sind in Nordkorea nicht nur ein runder Geburtstag. In der auf Zahlensymbole geeichten Gesellschaft kann Machthaber Kim Jong-un daher am 8. Jänner nicht einfach den Beginn eines neuen Lebensjahres feiern.

Er blickt auch auf fünf Jahre als dynastischer Machthaber zurück, die im Dezember 2011 mit dem Tod seines Vaters Kim Jong-il begonnen hatten. In seiner Neujahrsansprache gab er einen Vorgeschmack: Er habe dem Land den Status "einer Nuklearmacht und eines Militärgiganten verschafft". Kein Feind, wie mächtig er auch sei, werde den Staat zu provozieren wagen.

Vor oder nach dem 20. Jänner?

Doch das reicht ihm nicht. Kim kündigte auch einen bevorstehenden Test einer Trägerrakete für Atomsprengköpfe an, die das Festlandgebiet der USA erreichen könnte. Chinesische und südkoreanische Experten spekulieren nun, ob Kim sie noch vor Amtseinführung des designierten US-Präsidenten Donald Trump am 20. Jänner abschießen lässt.

Für den Test zum Geburtstag gibt es einen Präzedenzfall. Vergangenes Jahr ließ Pjöngjang am 6. Jänner unterirdisch eine Atombombe testen. Kim feierte sie als miniaturisierte Wasserstoffbombe, auch wenn viele Wissenschafter anhand von Messdaten bezweifeln, dass das Land wirklich eine H-Bombe herstellen konnte. Staaten von China bis zu den USA reagierten mit Verurteilungen. Kim focht das nicht an. Im September ließ er eine weitere Atombombe zünden.

Der Diktator ist in Eile

Kim fühle sich "sehr sicher", sagt dazu der Nordkoreaexperte Zhang Liangui, der an Chinas Parteihochschule lehrt. Nordkorea habe zum ersten Mal offen eingestanden, eine ICBM-Interkontinentalrakete zu testen. Zuvor hatte man von einem Satellitenstart gesprochen. Die Uno hatte Pjöngjang unter Sanktionsdrohungen verboten, Langstreckenraketen zu testen.

Kim ignoriert nicht nur alle internationalen Verbote. Er hat es auch eilig, er wolle auf jeden Fall vor Trumps Amtsantritt die Atomwaffenaufrüstung Nordkoreas vervollständigen, meint Zhang. Danach könnte er hochgerüstet abwarten, ob die USA bereit sind, Nordkorea als Atomwaffenstaat anzuerkennen. Trump reagierte auf den angekündigten Test, der eine Bedrohung für die USA bedeutet, prompt und twitterte mehrdeutig: "Das wird nicht passieren." Unklar blieb bei seiner Twitter-Botschaft, ob er die technische Machbarkeit anzweifelte oder vor den Folgen warnen wollte.

Forscher Zhang glaubt, dass der Test die USA zur "militärischen Option" für die Lösung des Nordkorea-Problems greifen lässt. Das Zeitfenster schließe sich. Die neue US-Regierung werde aber zuerst schauen, woran sie bei Nordkorea ist. Im zweiten Halbjahr könnte die Lage dann aber eskalieren.

China nicht zu radikalen Boykotten bereit

"Anscheinend gibt es keine Alternative zu Gewalt," so Zhang. Verhandlungen seien gescheitert. Sanktionen übten nicht genug Druck aus, auch weil China nicht zu radikalen Boykotten bereit ist. "Solange Pjöngjang keinen Zusammenbruch des Systems befürchten muss, wird es nicht über einen Atomwaffenabbau verhandeln." Nordkorea setze darauf, dass sich nach dem Wahlsieg von Trump die Widersprüche zwischen den USA und China weiter verschärfen. Kim brauche nicht fürchten, dass beide gemeinsam gegen Nordkorea vorgehen.

Solche Einschätzungen werden auch in Südkorea geteilt. Forscher Cheong Seong-chang vom Sejong-Institut in Seoul rechnet mit einem ICBM-Abschuss noch in diesem Monat, sagte er der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua. Er erwarte zudem weitere Raketenabschüsse und einen sechsten unterirdischen Atomtest. Auch hier wüsste Pjöngjang, dass Südkorea bis April mit der neuen Präsidentenwahl nach der Amtsenthebung von Präsidentin Park Geun-hye abgelenkt ist.

Trumps "Maulbomben"

Trump kritisierte in seinem polemischen Twitter-Kommentar auch China, das nicht zur Lösung des Korea-Problems beitrage. Peking fühlte sich getroffen. Besonders schrill reagierte das Parteiblatt Global Times. Die chinesische Ausgabe ließ alle Zurückhaltung gegenüber Trump fallen und beschimpfte ihn am Mittwoch auf ihrer Titelseite: "Trump schießt mit verbalen 'Maulbomben' auf China und Nordkorea."

Experten in Peking, Seoul, Tokio und Washington konnten Vorbereitungen für einen Raketenabschuss noch nicht entdecken. Sie zählen den Countdown bis zu Kims Geburtstag herunter. Der 8. Jänner ist verbürgt. Am jenem Tag ließ Kim 2014 in Pjöngjang ein Freundschaftsbasketballmatch mit bekannten US-Stars arrangieren. Ex-NBA-Spieler Dennis Rodman durfte ihm in der Sporthalle ein Happy Birthday-Ständchen bringen unter dem Jubel des mitsingenden Publikums. (Johnny Erling aus Peking, 6.1.2017)