Athen/Nikosia/Genf – Es geht um ein Prozent, aber auch um Macht, Prestige und das Gefühl im Bauch. Im Völkerbund-Palast in Genf sitzen sich seit Montag der zypriotische Präsident Nikos Anastasiades und der Führer der international nicht anerkannten türkischen Republik Nordzypern, Mustafa Akinci, gegenüber. Die finale Runde der Gespräche über ein Ende der Teilung der Insel soll Donnerstag erstmals wieder Zyperns Garantiemächte Großbritannien, Griechenland und die Türkei zusammenbringen – sofern Akinci und Anastasiades einen Erfolg vermelden.

Skepsis regiert. "Fragen Sie mich, wenn wir fertig sind", beschied der zypriotische Präsident wartende Journalisten in Genf nach einem "Aufwärmtreffen" am vergangenen Sonntagabend. "Wir sind nicht pessimistisch, aber ich sehe keinen Grund für übertriebene Erwartungen", wurde Akinci zitiert. In Regierungskreisen in Athen erwartet man sich von dieser Woche deshalb eher eine Fortsetzung der Verhandlungen und nicht einen krönenden Abschluss mit den Vertretern der Garantiemächte, die ihre Unterschrift unter ein fertiges politisches Abkommen für Zypern setzen.

Hochemotionales Thema

Dennoch gelten diese im Mai 2015 begonnenen Verhandlungen zwischen zwei moderaten Führern auf der Insel als die besten seit Jahrzehnten. Alle Beteiligten sprechen von der größten Chance auf eine Einigung seit dem gescheiterten Friedensplan von UN-Generalsekretär Kofi Annan 2004.

Doch sowohl Anastasiades wie Akinci haben keine sichere Mehrheit in ihrem jeweiligen Teil der Insel: Anastasiades steht einem zersplitterten Parlament gegenüber, auch wenn ihm die größte Oppositionspartei – die linke Akel – im Prinzip Unterstützung zusicherte; Akinci wiederum muss mit einem Parlament umgehen, in dem die ankaratreue Regierung das Sagen hat. Der türkische Norden ist finanziell und politisch abhängig von der Türkei.

Und die strittigen Fragen in den Verhandlungen der zwei Volksgruppenführer sind nach wie vor nicht gelöst. Die Rückgabe und der Tausch von Gebieten, der seit 1974 geteilten Insel sind das eine Problem. Anastasiades schlug 28,2 Prozent des Inselterritoriums für die türkische Gemeinschaft in einem künftigen föderalen Staat vor. Akinci will 29,2 Prozent. Für beide Seiten ist dies ein mit hohen Emotionen befrachtetes Thema. Politische Prioritäten kommen dazu: Die griechischen Verhandler wollen zuerst eine Einigung über die Karte – die territoriale Frage -, bevor sie Festlegungen über Form und Funktionsweise des neuen gemeinsamen Staates treffen; die türkische Seite sieht alles als ein Paket.

Streit um Besitz

Nicht ganz gelöst ist weiterhin auch das Besitzproblem auf der Insel. Ein großer Teil der griechischen Zyprioten hat mit der Invasion der türkischen Armee 1974 und der Teilung der Insel den Zugriff auf Grund und Boden verloren. Beide Seiten sind sich im Prinzip einig über die Mittel zur Lösung der Besitzfrage: Entschädigung, Tausch, Rückgabe. Doch die Kriterien sind ungeklärt.

Von Zyperns drei Garantiemächten ist nur die Türkei der Machtfaktor, der den Gang der Verhandlungen beeinflusst. Den Status als "Garant" will Ankara nicht aufgeben, selbst wenn ein phasenweiser Abzug der rund 30.000 Soldaten im Inselnorden vereinbart wird. (Markus Bernath, 9.1.2017)