Das Hotel Belvedere auf dem Furkapass zählt zu den bekanntesten historischen Hotels der Schweiz. Allerdings ist die Geschichte als Hotel vermutlich wirklich Historie: Seit 2015 ist es geschlossen.

Foto: Switzerland Tourism/Martin Maegli

Auch Hotels können zu Kulturgütern werden, wenn sie nur lange genug stehen. Persönlichkeiten steigen in ihnen ab und Ereignisse finden in ihrem Umkreis statt, die später historisch genannt werden. Gebäude und Mobiliar legen so lange Jahresringe an, bis sie sich irgendwann in geschichtliche Perioden eingliedern. Wenn sie bewahrt, gepflegt und behutsam erneuert werden, lässt es sich in solchen Hotels heute noch gut wohnen.

"Keinen Staub, aber Patina", verspricht denn auch die Hotelvereinigung Swiss Historic Hotels, die 2004 initiiert wurde und aktuell 54 Häuser umfasst. Kriterium ist die Geschichte des jeweiligen Hotels, nicht, wie viele Sterne es hat. Einige davon eignen sich hervorragend als Etappenziele einer thematischen Reise durch die Schweiz oder durch eine bestimmte Region, und jedes einzelne funktioniert wie eine Zeitreise in die Geschichte des Landes. Eine Auswahl von fünf Häusern, in denen man auf die Erinnerungen an Andy Warhol, Leo Tolstoi oder Thomas Mann trifft:

Seehotel Sonne, Küsnacht

Ein guter Ausgangspunkt ist das Hotel Sonne in Küsnacht auf der westlichen Seite des Zürichsees. Es liegt gleich bei der Schiffsanlegestation, was unverstellte Blicke auf den See und seine goldenen Sonnenuntergänge öffnet. Daher heißt diese Uferseite die "Goldküste" – natürlich auch wegen der Wohlhabenden, die hier auf einst ärmlichem Bauernland leben. Die andere Seite ist übrigens die "Pfnüselküste", das steht für Schnupfen: Die Bewohner dort haben nur die Morgensonne und Industrie – so richtig schlecht wird’s ihnen aber vermutlich auch nicht gehen.

Romantik Seehotel Sonne
Foto: Romantik Seehotel Sonne

Das heutige Hotel geht auf eine Taverne plus Herberge zurück, die im Jahr 1641 eröffnet wurde. In der Burestube hängen die ernsten Portraits der Familie Guggenbühl, die das Haus über 350 Jahre lang führte, ehe es in den 1980er-Jahren von Urs Schwarzenbach, dem Besitzer des Dolder Grand in Zürich, übernommen wurde. Da dieser ein Sammler zeitgenössischer Kunst ist, zieren auch Warhols, Schnabels und Meret Oppenheims die historischen Wände. Es hat Jahrhunderte gedauert, ehe die Sonne zur heutigen Größe von 40 Zimmern angewachsen ist.

Von den beengten Anfängen zeugt das ursprüngliche Wohnzimmer der Hausherren. In dem Raum mit seinen originalen Bildern, getäfelten Wänden und Holzboden, der heute für Seminare im kleinen Rahmen genutzt wird, lebten damals bis zu acht Familienmitglieder. Lenin und Kafka sollen, noch weitgehend unbekannt, in der damals wenig exklusiven Sonne übernachtet haben, doch darüber gibt es keine Aufzeichnungen. Dass Leo Tolstoi und später Thomas Mann, der seine letzten Lebensjahre in Kilchberg am anderen Seeufer verbrachte, im Biergarten gesessen sind, ist hingegen verbürgt. Erst seit 1948 hat das heutige Viersternhaus Fließwasser, seit 1968 Zentralheizung.

Hotel Terrasse, Vitznau

Ebenso wie die "Sonne" liegt das Hotel Terrasse direkt am Wasser, diesfalls am Vierwaldstättersee. Was man in Vitznau tun kann, liegt vor Augen: Der Seeblick ist für sich schon ein Labsal, dem man sich lange hingeben kann, am besten von der namensgebenden Terrasse oder einem der gusseisernen Balkönchen aus. Es gibt Strände und Rundfahrten auf weißen Touristendampfschiffen.

Und es wäre ein Verstoß gegen die guten touristischen Sitten, den Hausberg Rigi nicht erklommen zu haben. Natürlich mit der Bahn, die bereits im Jahr 1871 eröffnete und damit die erste in Europa war, sowohl als Zahnrad- wie überhaupt als Bergbahn.

Hotel Terrasse
Foto: Andrea Badrutt

Zwei Jahre später folgte das Hotel, damals noch unter dem Namen Rigi-Bahn, denn von dieser wurde es betrieben, ehe es in den Besitz der Familie Nussbaumer überging. Zusammen mit dem Pilatus, dem anderen Hausberg, ist die Rigi so etwas wie ein erster Vorposten der Alpen auf knapp 1800 Meter Seehöhe. In Richtung Süden baut sich eine gewaltige, den Horizont abschließende Gebirgskette auf, während in nördlicher Richtung der Blick endlos weit in die "Mittelland" genannte Ebene und bis in den Schwarzwald hineinreicht. Eingefasst ist die Rigi vom Zuger See sowie vom vielfingrigen Vierwaldstätter- und Lauerzersee.

Noch ein wenig eindrucksvoller ist die Aussicht vom Gornergrat, auf über 3000 Meter, das man mit der elektrischen Zahnradbahn von Zermatt aus erreicht: Sie geht auf den Gorner- und den Findelgletscher und auf mehr als 20 Viertausender, darunter das Monte Rosa-Massiv mit der Dufour-Spitze – und natürlich das spektakuläre Matterhorn, eine Skulptur von einem Berg. Die zu einem Gutteil japanischen Touristen, die täglich in Tausendschaften hier heraufkommen, würden sich ihr Matterhorn-Selfie niemals entgehen lassen.

Hotel Wilden Mann, Luzern

Auch das Hotel Wilden Mann in Luzern hat einmal klein angefangen, nämlich als Gasthaus vor genau 500 Jahren. Es wird wohl gleich gut besucht gewesen sein, denn der Handel mit Italien über den Gotthardpass hatte der Stadt bereits ab dem 13. Jahrhundert Wohlstand gebracht. In der getäfelten Bürgerstube mit ihren originalen Deckenbalken lässt es sich genauso gemütlich speisen wie im Eröffnungsjahr 1517, wenn auch vermutlich kultivierter.

Hotel Wilden Mann
Foto: Hotel Wilden Mann

Das Hotel ist erst vor 150 Jahren dazugekommen und immer erweitert worden und setzt sich heute aus sieben einstigen Wohnhäusern zusammen. Daher geht man durch unendlich viele verwinkelte Gänge, steigt Verbindungstreppen rauf und runter, die zum Ausgleich der verschiedenen Niveaus geschaffen wurden, und kommt allenthalben an alten Gemälden und Schaukästen mit historischen Gegenständen vorbei.

Manche der 48 Zimmer sind recht niedrig, wie sie damals eben gebaut wurden, und wirken mit ihren Deckenbalken und historischen Möbeln wie Kemenaten. Die Türen sind aus massivem Holz und tatsächlich noch mit Schlüsseln ausgestattet. Das muss heutzutage eigens erwähnt werden. Der Publizist Tyler Brûlé hat einmal eine ganze Kolumne nur zum Thema der soliden Türen in den gediegenen Schweizer Hotels geschrieben, die mit einem satten Geräusch schließen wie eine Mercedes-Tür oder ein Dupont-Feuerzeug.

Grimsel Hospiz, Guttannen

Dass im Umkreis des Grimsel Hospizes nicht schon längst ein James-Bond-Film gedreht worden ist, kann einen nur wundern, denn hier geht es monumental zu: Die vielfach steinmauerbewehrte Passstraße, die sich weit oberhalb der Baumgrenze mühsam hochschlängelt, die kleine Straße, die längs einer gigantischen Stauseemauer zum Hospiz auf 1980 Meter führt. Und das Haus selbst, eine Festung aus Granit mit Treppengiebeln und Blick auf den schlammfarbenen Stausee (die Sedimente des Gletscherwassers) und die Hochalpenszene mit dem krönenden knapp 4300 Meter hohen Finsteraarhorn. Dazu eine von Gästen besichtigbare, von mächtigen Toren geschützte unterirdische Straße, denn der Unterleib des Stausees ist ein Kraftwerk. Sehr James Bond, das alles, aber im Hospiz selbst geht es überaus gediegen zu.

Grimsel Hospiz
Foto: the fotostudion.ch

Dezent modernes Interieur, 28 Zimmer, erstklassige Betreuung. Das Grimsel, das 1932 erbaut wurde, geht auf ein früheres Hospiz zurück, das jahrhundertelang die Säumer beherbergte, die mit ihren mit Wein und Gewürzen beladenen Maultieren die Route von Genua nach Deutschland nahmen.

Im Winter ist die Alpenstraße geschlossen, das Hospiz aber geöffnet. Man kommt mit der Zahnradbahn, dann durch den Tunnel. "Es gibt nichts zu tun, das hat sich bewährt. Nach einer Woche musst du die Leute fast schon rauswerfen, sie wollen nicht mehr zurück in die Zivilisation!", sagt Hotelmanager Mario Bucher. Ein Erklärungsversuch: Der Weinkeller soll gut bestückt sein.

Hotel Monte Rosa, Zermatt

Dieses 1854 erbaute und damit älteste Hotel Zermatts mitten im Ortszentrum beherbergte zunächst vor allem Wissenschaftler, welche die Berge und Gletscher im Umkreis erkundeten. Und natürlich die Alpinisten, allen voran Edward Whymper, den Erstbesteiger des Matterhorns, an den der vornehme Whymper-Salon erinnert. Insgesamt ist das Viersternehaus – wenn man von den da und dort verwendeten Arven- sprich Zirbenholztäfelungen absieht – ganz und gar nicht rustikal, sondern überaus elegant ist.

Hotel Monte Rosa
Foto: Ydo Sol Images

Der Speisesaal nennt sich Belle Époque und stammt auch aus dieser. In Zermatt verträgt sich das mit dem alpinen Umfeld, denn es gibt es hier noch alte Holzhäuser und Getreidespeicher auf Stelzen – wegen der Mäuse –, die nicht zu Chalets ausgebaut wurden.

Man kann hier auch zuschauen, wie eine Ziegenherde durchs Dorf getrieben wird. Das hält den Verkehr nicht auf, denn es gibt keinen: Zermatt ist, abgesehen von E-Autos, die Gäste vom Bahnhof abholen, autofrei. (Harald Sager, 13.1.2017)