Belfast/London – Wie angekündigt hat die katholisch-irische Nationalistenpartei Sinn Féin (SF) am Montag verweigert, einen Kandidaten für das Amt des Vizepremiers von Nordirland zu benennen.

Weil deshalb die Bildung einer neuen Regionalregierung unmöglich wurde, rief der zuständige britische Minister James Brokenshire am Abend für den 2. März Neuwahlen aus. Sie dürften den Meinungsumfragen zufolge aber keine Klärung der verfahrenen Situation bringen. Die Haltung ihres bisherigen Koalitionspartners sei bedauerlich, sagte die bisherige Ministerpräsidentin Arlene Foster von der protestantischen Unionistenpartei DUP. "Die Menschen wollen nicht schon wieder zur Wahl gehen."

Die Krise geht auf einen Skandal zurück, bei dem etwa eine halbe Milliarde Euro Steuergelder verschleudert wurden. Während ihrer Zeit als Wirtschaftsministerin 2012 hatte Foster ein Förderungsprogramm für alternative Energien aufgelegt. Da jedes für Holzpellets oder Biomasse ausgegebene Pfund mit 1,60 Pfund subventioniert wurde, installierten geldgierige Farmer völlig unnötige Heizsysteme und strichen bis zu sechsstellige Beträge ein.

Seit Wochen verlangen sämtliche Oppositionsparteien im Belfaster Landtag eine unabhängige Untersuchung; während dieser Zeit sollte Foster ihr Amt ruhen lassen. SF schloss sich der Forderung erst nach langem Zögern an. Doch Foster weigerte sich bis zuletzt. Daraufhin trat der langjährige Vizepremier Martin McGuinness zurück. Da Premier und Vizepremier aneinander gekoppelt sind, zwang er damit auch Foster aus dem Amt.

Langjährige Beobachter sehen die Ereignisse mit Besorgnis. Die Londoner Regierung habe Nordirland "sträflich vernachlässigt", glaubt der Labour-Politiker Peter Hain, der 2007 als Nordirland-Minister diente. Damals war erstmals seit dem Friedensabkommen von 1998 eine DUP/SF-Regierung zustande gekommen.

Keine großen Veränderungen

Angesichts der Feindseligkeit beider Seiten dürfte auch die Neuwahl wenig ändern; sie kommt nur zehn Monate nach dem letzten Urnengang, größere Veränderungen gelten als unwahrscheinlich. Womöglich müssen London und Dublin Gespräche über ein neues politisches Konstrukt in die Wege leiten. Die Lage wird durch den bevorstehenden EU-Austritt Großbritanniens erschwert.

Die Grenze zwischen Nordirland und der Republik im Süden ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten sehr durchlässig geworden, vielerorts verheilten die Wunden des beinahe drei Jahrzehnte währenden Bürgerkriegs. Sollte London wirklich einen harten Brexit ohne Sonderregelung für Irland anstreben, könnten die ethnisch-religiösen Spannungen über Nacht zurückkehren. (Sebastian Borger, 16.1.2017)