Viel los im Zauberwald: Das Bühnenbild von Julia Hansen in Henry Pucells "Fairy Queen" hält, was es verspricht. Wie von Zauberhand werden auch die Gedanken der Akteure an der Wand eingeblendet.

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Wien – Muss eine halbe Oper eine halbe Sache sein? Und wo ist die andere Hälfte dann hin? Die Herausforderungen einer "Semi-Opera", wie sie Henry Purcells Fairy Queen darstellt, sind selbst in Paradoxien kaum zu fassen: ein Theaterstück (in diesem Fall eine Bearbeitung des Sommernachtstraums) mit musikalischen Einlagen, lose bis gar nicht verbunden, wobei die Musik dank des Genies des Komponisten die Hauptsache bildet und episodisch bleibt.

Man kann sich bemühen, das Konzept in seinem ursprünglichen Geist mit Shakespeare'schem Zauber wiederzubeleben. Oder man kann es mit einer radikalen Aktualisierung versuchen und zu den musikalischen Nummern eine gänzlich neue Story erfinden. Es überrascht keineswegs, dass an einem so ambitionierten Haus wie dem Theater an der Wien der zweite Weg gewählt wurde, während man Purcells Partitur mit Umsicht behandelte.

Weder gescheitert noch gelungen

Die Inszenierung von Mariame Clément ist zwar riskant, aber dennoch weder ganz gescheitert noch gelungen: Den neuen Handlungsrahmen bildet – kein völlig neuer Gedanke – eine Theatersituation, bei der ein Stück – wenig überraschend ist das The Fairy Queen – aufgeführt wird. Dieser Plot wird quasi filmisch vom Ende her aufgerollt: Zunächst sieht man die Premierenfeier, wo der Intendant ziemlich fade Dankesworte an die Mitwirkenden richtet und bereits deutlich wird, dass es im Theatervölkchen in auffällig normaler Weise menschelt. Dann wird zum Probenbeginn fünf Wochen zuvor rückgeblendet und die Geschichte wieder bis zur Premierenfeier erzählt.

Es geht dabei natürlich ein wenig um die einschlägigen Vorbereitungen, musikalisches Einstudieren, Kostümanproben und Requisiten. Doch das bildet vor allem die Folie für Liebesgeschichtchen und damit einhergehende Verwirrungen. Dieses Regiekonzept ist von seiner Idee her natürlich funktionsfähig, wird jedoch über die Dauer des ganzen Abends redundant und langatmig. Vor allem aber ist fast jeder Zauber des Feenreichs dahin, obwohl auf zwei Ebenen versucht wurde, dem gegenzusteuern: Gesprochen wird fast gar nicht, stattdessen erzählt stummes Spiel vom Geschick der Operntruppe. Ihre Gedanken werden für das Publikum auf magische Weise lesbar, wenn sie wie von Zauberhand an der Wand erscheinen. Das hat anfangs einigen Effekt, nutzt sich aber rasch ab.

In der Schwebe

Gesungen und agiert wird freilich fabelhaft: Anna Prohaska gibt mit wendig-voller Stimme und natürlicher Präsenz die Sopranistin, der erst im Lauf der Proben die Titelrolle zufällt, da sich der alternde Regisseur (Kurt Streit) – Trommelwirbel und Überraschung – in sie verliebt hat, weswegen sie ihr Freund, der Regieassistent (Florian Köfler) verlässt.

Auch Florian Boesch als ewig betrunkener Ausstatter und Marie Claude Chappuis als unbedankte Dramaturgin, zunächst mit dem Regisseur verbandelt, dann abserviert und übermäßig dem Schaumwein zugetan, tun ihr Bestes und verdienten genauso Lobeshymnen wie der szenisch stark geforderte Arnold Schoenberg Chor

Unter der Leitung von Christophe Rousset untermalt sein Ensemble Les Talens Lyriques das Geschehen nicht unschön, doch ein wenig verhalten, und wirkt dabei zuweilen ein wenig in der Schwebe – wie die Inszenierung, die auch im Programmheft wesentliche Fragen offenlässt: "Boesch treibt Schabernack, ist er nur wieder betrunken oder vielleicht doch ein Kobold?"

Mit einer gewissen Erleichterung kann das Publikum am Schluss beobachten, wie die Bühne (Ausstattung: Julia Hansen) unter Purcells Zauberklängen leergeräumt und Platz für die nächste Produktion geschaffen wird. Und die wird wohl kaum eine Semi-Opera sein. (Daniel Ender, 21.1.2017)