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Präsentation der Antikorruptionsbehörde in Peking vor einigen Tagen. Die Regierung sieht eine "große Reform". Kritiker vermuten Maßnahmen, die eher Überwachung als Korruptionsbekämpfung dienen.

Foto: Reuters / China Daily

Der lange Arm chinesischer Staatsfahnder reichte bis nach Afrika. Sieben Jahre hatte sich dort der einst für Im- und Exporte in einer Außenhandelsfirma zuständige Pei Jianqiang versteckt. 2003 unterschlug er rund 300.000 Yuan (heute 40.000 Euro) und bestach Behörden. Wegen Zollbetrug wurde er zu sechs Jahren Haft verurteilt. Nach neuen Ermittlungen 2009 floh er nach Guinea.

Pei schlug sich als Koch und Dolmetscher unbehelligt durch, bis ihn die Volksrepublik 2015 auf ihre internationale Fahndungsliste der 100 meistgesuchten Wirtschaftskriminellen setzte. Interpol verbreitete sie weltweit. Guineas Behörden nahmen Pei fest. Pekinger Polizisten holten ihn ab. Anfang Jänner wurde er jetzt in Peking verurteilt. Die Strafe fiel relativ milde aus: drei Jahre Haft.

Große Härte

Im Vergleich zu den Milliardensummen heutiger Korruptionsfälle war Pei ein kleiner Fisch. Aber niemand dürfe durch Chinas Antikorruptionsnetz schlüpfen, verlangt Partei- und Staatschef Xi Jinping, der es seit vier Jahren immer engmaschiger knüpfen lässt. Dazu gehört für ihn, alle ins Ausland Geflohene zurückzuholen.

Peking ist verblüffend erfolgreich. Seit 2014 wurden 2566 mutmaßliche Wirtschaftsverbrecher aus 70 Ländern nach China ausgeliefert oder ließen sich zur angeblich freiwilligen Rückkehr überreden. 2016 flohen nur 19 Funktionäre ins Ausland, die wegen Verdacht auf Korruption gesucht werden. 2014 waren es 101, sagt Liu Yuanchao, Abschreckung wirke.

Der ehemalige Vizeaußenminister leitet die Abteilung Internationale Kooperation in der ZK-Kommission für Disziplinarkontrolle (CCDI). Die gefürchtete Parteiinstanz ist zuständig für die Bekämpfung der Korruption unter Funktionären und untersteht nur Parteichef Xi und dessen Politbüro. Künftig soll Lius Abteilung flüchtige Funktionäre nicht mehr nur im Auftrag der KP im Ausland jagen, sondern auch für eine neu geplante "Nationale staatliche Überwachungskommission."

"Große politische Reform"

Diese soll bei der Parlamentssitzung des Volkskongresses im März 2018 begründet werden, parallel zur weiter die Hauptrolle in der Antikorruptionskampagne spielenden CCDI. Das kündigten hochrangige Funktionäre auf einer Pressekonferenz in Peking an. Sie nennen ihr neues Projekt eine "große politische Reform."

Parteichef Xi hat seit Amtsantritt Ende 2012 seine allein herrschende Partei, deren Funktionäre in Personalunion an den Schaltstellen von Wirtschaft und Politik sitzen, immer wieder gewarnt: Sie werde wie die sowjetische KP untergehen, wenn sie die grassierende Korruption nicht stoppe. China hat für diesen Kampf bisher mehr als eine halbe Million Inspekteure und Fahnder aufgeboten, schrieb China Daily. Die Kampagne ist Dauerzustand geworden. Längst lähmt sie die Entscheidungsfreude vieler Beamten, sie fürchten, Fehler zu machen.

"Kern" gegen Korruption

Von 2013 bis Dezember 2016 wurden fast 1,2 Millionen Funktionäre und Staatsangestellte wegen Bestechlichkeit, Amtsmissbrauch, unmoralischem Verhalten oder Verschwendung zuerst parteiintern und Hunderttausende danach gerichtlich bestraft. Verurteilt wurden auch 223 von 240 hochrangigen Parteifunktionären. Selbst höchste Richter versanken im Korruptionssumpf. Die Kampagne half Xi, der sich "Kern" der Partei nennen lässt, Rivalen auszuschalten und seinen Herrschaftsanspruch zu verfestigen.

Die neue Staatskommission soll die bisher zersplitterten Kontroll- und Überwachungsämter bündeln. Bisher stehen die mächtigen ZK-Disziplinswächter der CCDI, die formal für Chinas 88 Millionen Parteimitglieder zuständig sind, über allen Gesetzen. Sie können von ihnen verdächtigte Funktionäre eigenständig und willkürlich festnehmen und an geheimen Orten verhören und parteiintern bestrafen, bevor sie diese der Justiz zur Aburteilung überstellen.

Zielgruppe der neuen Kommission sind alle staatlichen und kommunalen Beamten oder Angestellten bis zu Funktionsträgern in öffentlichen Diensten. Im Visier stehen auch Massenorganisationen wie der allchinesische Frauenverband, die Staatsindustrien oder die Blockparteien.

Eine andere DNA

Transparenter wird die neue Kommission dadurch nicht. Offen bekannte Xiao Pei, Vizeminister im Staatsratsministerium, dass die neue Staatskommission zusammen mit der CCDI "eine Einheit bildet. Sie fungieren aber unter zwei Aushängeschildern."

Kritiker befürchten, dass sich die CCDI nun nur einen zweiten Hut aufsetzt, der ihren willkürlichen Festnahmen künftig einen legalen Anstrich verschafft. Das neue Gremium untersteht wie die CCDI der Führung durch Chinas KP-Chef und seinem Politbüro.

Der Ruf nach einer Stärkung unabhängiger Anwälte und Richter oder nach einer freien Presse für eine Bekämpfung der Korruption bleibt Tabu. China habe eine "andere DNA als der Westen", antwortete CCDI-Vizechef Wu auf die Frage nach gänzlich unabhängigen Antikorruptionswächtern. Der westliche Schuh der Gewaltenteilung passe "nicht auf den chinesischen Fuß." (Johnny Erling aus Peking, 24.1.2017)