Dirigierte Niederösterreich durch kulturell fette Jahre: Erwin Pröll.


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St. Pölten – Wie vielen Programmheften Erwin Pröll sein Vorwort gespendet hat, ist nicht bekannt. Über den Daumen gepeilt müsste es sich aber um eine vierstellige Zahl handeln. Kultur war für den längstdienenden Landeshauptmann Österreichs, der im März nach 25 Jahren das Szepter an Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) übergeben wird, seit jeher eines der wichtigsten Politikfelder.

Mochten sich Weggefährten, wie der Ex-Landesrat und nunmehrige Innenminister Wolfgang Sobotka (immerhin akademisch ausgebildeter Dirigent) noch so sehr für die Agenden interessieren – Kultur blieb Chefsache. Der Satz "auf Initiative von Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll" wurde zur politischen Trademark. Das Kulturbudget des Landes hat Pröll in seiner langen Amtszeit von 36 auf bis zu 170 Millionen gesteigert, zwischen 2001 und 2015 hat er es verdoppelt. Aus dem kulturellen Nachzügler am Rockzipfel Wiens wurde so ein weit über die Grenzen ausstrahlendes Konkurrenzmodell zur Bundeshauptstadt.

Der Startschuss für die kulturellen Bemühungen des Landes fiel Mitte der Neunzigerjahre. In Gehnähe zum eigenen Büro ließ Pröll in der noch jungen Landeshauptstadt St. Pölten einen ganzen "Kulturbezirk" mit Landesmuseum, Festspielhaus und dem Luxusprojekt Klangturm aus dem Boden stampfen: Identität durch moderne Architektur, so die Losung.

Parallel dazu baute man in Krems an einer Kunstmeile, Schloss Grafenegg wurde für 30 Millionen Euro zum Zentrum der Klassik – Infrastruktur, die stets auch mit touristischer Umwegrentabilität argumentiert wurde.

Kritische Geister umarmen

Ab dem Jahr 2000 folgte der nächste Schub. Hermann Nitsch, den Pröll bereits Jahre zuvor gegen Kritik von links und rechts verteidigt hatte, baute er in Mistelbach ein eigenes Museum. Arnulf Rainer bekam seines in Baden bei Wien, Manfred Deix, Österreichs explizitestem Karikaturisten und Pröllfrisuren-Zeichner, ließ er im neu gebauten Karikaturmuseum Krems eine Dauerausstellung einrichten. Und auch die linke Pop-Avantgarde spielt Jahr für Jahr nicht etwa in Wien, sondern beim finanziell gut dotierten Donaufestival in Krems auf.

Kritische Geister zu umarmen hatte bei Pröll Strategie. Der Macht der Künstler als Meinungsmultiplikatoren war er sich stets bewusst. Als sich etwa Theatermacher Paulus Manker mit der Wiener Kulturpolitik überwarf, bot Niederösterreich kulturelles Asyl an. Nicht wenige Künstler dankten solchen Einsatz mit ihrer Unterstützung im Wahlkampf.

Aber auch unter den vielen Hunderten kleinen Subventionsempfängern herrscht nahezu Einhelligkeit: Fragt man nach Erfahrungen mit den St. Pöltner Förderstellen, bekommt man Wörter wie "unbürokratisch" und "großzügig" zu hören. Selbst kleine Subventionszusagen soll der Landeshauptmann eigenhändig unterschrieben haben.

Die Leistungen Prölls will auch Emmerich Weiderbauer, Kultursprecher der NÖ-Grünen, nicht schmälern. Transparenz, meint er, sei allerdings nicht seine Stärke gewesen. Ein Befund, der durch die derzeit kritisch beäugte Privatstiftung Prölls Auftrieb erfährt.

Ein Beispiel für fragwürdige Ankaufspolitik des Landes ist die vor knapp einem Jahr um 2,6 Millionen Euro erstandene K.-u.-k.-Sammlung des Gastronomen Mario Plachutta. Der Großteil der 2.500 Objekte dürfte ins Depot wandern, denn im Haus der Geschichte, das bis Ende 2017 im umgebauten St. Pöltner Landesmuseum untergebracht wird, werden insgesamt nur 1.300 Ausstellungsstücke Platz finden.

Die Übersiedelung der NÖ-Landesgalerie von St. Pölten in einen 35-Millionen-Neubau in Krems (die Baustelle steht aufgrund archäologischer Funde derzeit still) ist Prölls letztes kulturpolitisches Ausrufezeichen. Strategisch aber wird seine Handschrift beziehungsweise die seiner gewieften Schar an Kulturmanagern weiterwirken. Erst im November verabschiedete das Land eine neue Kulturstrategie mit umfassenden Leitlinien für die nächsten 15 Jahre.

Johanna Mikl-Leitner könnte sich in diesem gut geölten Betrieb auf die Zuschauerrolle beschränken. Die NÖKU-Holding, die über 30 Kulturbetriebe strukturell zusammenhält, hat einen dauerhaften Fördervertrag mit Inflationsanpassung. Und in Sachen Vorwort gäbe es Blaupausen genug. (Stefan Weiss, 24.1.2017)