Es sieht nicht gut aus für Obamacare, das Prestigeprojekt des ehemaligen US-Präsidenten. Mit Tom Price hat ein erklärter Gegner der Gesundheitsreform das Amt des Gesundheitsministers übernommen, und der neue Präsident Donald Trump hat bereits am Tag seiner Angelobung eine Aufweichung angeordnet. Hinter dem Titel "Senkung der wirtschaftlichen Last des Patient Protection and Affordable Care Act (PPACA) bis zu dessen Rücknahme" verbirgt sich eine Anweisung, die das Ende von Obamacare vorbereiten soll.

In dem Erlass geht es in erster Linie um eine Senkung der öffentlichen und privaten Ausgaben: Die Behörden werden aufgefordert, jene Obamacare-Regeln nicht anzuwenden, die eine finanzielle Belastung für Bundesstaaten, Unternehmen oder einzelne Personen darstellen. Zudem müssten die Staaten bei der Umsetzung von Gesundheitsprogrammen flexibler sein dürfen (Executive Order im Wortlaut).

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Donald Trump nach der Unterzeichnung seinen Erlasses zu Obamacare am Tag seiner Angelobung.
Foto: REUTERS/Jonathan Ernst

Seither ist – außer dem Vorschlag, den Zeitraum zur Eintreibung für die Versicherung zu verkürzen – nicht viel weitergegangen. Und das, obwohl Trump theoretisch die Möglichkeit hätte, Obamacare sofort zu stoppen: Für die nächsten beiden Jahre haben seine Republikaner sowohl im Repräsentantenhaus als auch im Senat die Mehrheit, und auch ihnen ist die Reform verhasst, sie halten sie für zu teuer. Was sie derzeit wohl noch bremst, ist die Tatsache, dass von einer Abschaffung zum größten Teil Trump-Wähler betroffen wären. Zugleich ist völlig unklar, was an die Stelle von Obamacare treten soll.

Obamacare beziehungsweise der Patient Protection and Affordable Care Act ist eine Reform des US-Gesundheitssystems, die sogenannte Marktplätze schafft, auf denen private Krankenversicherer standardisierte Polizzen anbieten, ohne aber Patienten wegen Vorerkrankungen ausschließen zu dürfen. Die Polizzen werden in vier Stufen (Bronze, Silber, Gold und Platin) angeboten, und um sie leistbar zu machen, bietet der Staat Versicherten und Versicherern Subventionen an. Und es gibt eine Versicherungspflicht. Die Regierung bietet zugleich Bundesstaaten, die Medicaid – das staatliche Gesundheitsfürsorgeprogramm für Bedürftige – einer größeren Gruppe von Bürgern öffnen, großzügige finanzielle Unterstützung an. Junge Erwachsene können sich zudem bis zum Alter von 26 Jahren bei den Eltern mitversichern.

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Der ehemalige US-Präsident Barack Obama steht mit seinem Namen hinter der Reform.
Foto: APA/EPA/MICHAEL REYNOLDS

Unternehmen mit mindestens fünfzig Vollzeitarbeitskräften müssen ihre Angestellten versichern. Allerdings sind nur zwei Prozent aller amerikanischen Firmen davon betroffen, alle anderen haben ihren Mitarbeitern schon freiwillig Versicherungsschutz angeboten oder haben weniger als fünfzig Angestellte.

Durch die Einführung der Gesundheitsreform wurden rund zwanzig Millionen zuvor unversicherte US-Bürger in eine Krankenversicherung aufgenommen – die Hälfte der Neuversicherten hat sich über die Online-Marktplattformen versichert, die andere Hälfte über Medicaid. Die Anzahl der Nichtversicherten lag im ersten Quartal des Jahres 2016 USA-weit zwar immer noch bei 27,3 Millionen (8,6 Prozent), sank aber auf den niedrigsten Wert überhaupt.

Zudem ist Obamacare in der US-Bevölkerung beliebt wie nie zuvor. Eine aktuelle Umfrage für NBC News und das "Wall Street Journal" zeigt, dass 45 Prozent der US-Amerikaner das Gesetz für eine gute Idee halten, während 41 Prozent es für eine schlechte Idee halten. Es ist die höchste Zustimmung seit dem Beginn der Umfragen zu diesem Thema im Jahr 2009. Die Hälfte der Bevölkerung vertraut wenig oder gar nicht darauf, dass die Republikaner das aktuelle Gesetz verbessern werden.

Immer mehr Amerikaner halten es einer Umfrage des Pew Research Center für die Aufgabe der Regierung, eine Krankenversicherung zur Verfügung zu stellen. Eine Mehrheit sah das auch vor der Großkampagne gegen Obamacare ähnlich.

Zugleich gibt es berechtigte Kritik an der Reform. Die in das System involvierten Versicherungen schreiben seit 2014 Verluste – weil vorwiegend ältere Menschen mit einer medizinischen Vorgeschichte die Leistungen in Anspruch nehmen, während sich junge (und gesunde) US-Amerikaner oft für die Strafgebühren entscheiden, die ohne Versicherung anfallen. Versicherungen dürfen älteren Versicherungsnehmern zudem nur dreimal so viel verrechnen wie jungen – sie fordern aber ein Verhältnis von eins zu fünf, um die Kosten für ältere, bereits erkrankte Versicherungsnehmer zu decken.

Von "Repeal and Replace" zur "Reparatur"

Während des Wahlkampfs bezeichnete Trump Obamacare immer wieder als "Katastrophe" und kündigte an, die Reform völlig abschaffen und ersetzen zu wollen.

Später milderte er seine Position ab und wollte Teile des Systems übernehmen – etwa dass Kinder bis zum Alter von 26 Jahren über ihre Eltern mitversichert sind. Versicherungen soll es zudem weiterhin verboten bleiben, Patienten mit Vorerkrankungen zu benachteiligen. Abschaffen will Trump jedoch die allgemeine Versicherungspflicht und damit die Strafen für nichtversicherte Bürger sowie die staatlichen Subventionen. Genau das könnte aber zu einer Welle an Austritten führen – dann würden bald nur mehr kranke und ältere Menschen einzahlen, für die die Versicherungsunternehmen aber sehr viel mehr ausgeben müssten.

Nach seinem Wahlsieg kündigte Trump in einem Interview mit der "Washington Post" als Alternative zu Obamacare eine "Versicherung für alle" an. Seine republikanischen Parteikollegen erklärten daraufhin, der designierte Präsident meine das nicht wörtlich. Wenig später rückte Trump von dieser Position ab und erklärte, es gehe ihm vor allem darum, dass die ärmsten Amerikaner versichert seien. Das allerdings ist auch eine der zentralen Ideen von Obamacare.

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Demonstrationen in Denver Ende Jänner gegen die Abschaffung von Obamacare.
Foto: AP Photo/Brennan Linsley

Viele Republikaner, die jahrelang gegen Obamacare ins Feld gezogen sind, entdecken nun die Schwierigkeit, selbst einen besseren Ersatz zu finden. Geplant ist – unter anderem vom Sprecher des Repräsentantenhauses, Paul Ryan – ein billigeres und flexibleres System, das mehr individuelle Kontrolle erlaubt. Zugleich sollen sich die Amerikaner keine Sorgen machen müssen, wegen ihres Alters, ihres Einkommens oder ihrer Vorerkrankungen keine Versicherung zu erhalten.

Doch Gesprächsprotokolle aus Sitzungen konservativer Senatoren und Abgeordneter, die Ende Jänner unter anderem der "New York Times" zugespielt wurden, zeigen, dass man bisher weit von einem schlüssigen Konzept entfernt ist, das etwa gewährleistet, dass die unter Obamacare versicherten Millionen Amerikaner nicht plötzlich ohne Schutz dastehen.

Statt einer sofortigen Abschaffung und des Ersatzes wälzt der Kongress offenbar komplizierte Pläne, um das System teilweise zurückzunehmen. Der republikanische Senator Lamar Alexander, Sprecher des Gesundheitskomitees im Senat, sprach jüngst nicht mehr vom Ersetzen der Gesundheitsreform, sondern von einer "Reparatur". Einige republikanische Hardliner bestehen zugleich darauf, Obamacare aufzuheben – noch bevor konkrete Pläne für einen Ersatz vorliegen. Paul Ryan kündigte nun an, dass eine neue Regelung schon in einigen Wochen präsentiert werden soll.

Trump selbst bleibt in der Hinsicht unberechenbar. Anfang Februar rechnete er nicht mehr vor einem Jahr mit einer neuen Regelung, am Donnerstag beschrieb er die Pläne als "in der Endphase" und kündigte sie für Anfang oder Mitte März an. Er drängt weiterhin auf ein Ersatzprogramm. (Noura Maan, Gerald Gartner, 17.2.2017)