Wien – Mit Optimismus geizt die Regierung nicht. 70.000 zusätzliche Arbeitsplätze sollen durch das erneuerte Regierungsprogramm entstehen. Zentraler Punkt im Arbeitsmarktkapitel ist ein sogenannter Beschäftigungsbonus. Ab 1. Juli 2017 sollen Firmen, die neue Jobs schaffen, drei Jahre lang nur die halben Lohnnebenkosten zahlen müssen. Profitieren kann nur, wer den Mitarbeiterstand tatsächlich erhöht. Es geht also nicht, zuerst Bedienstete zu kündigen und sie dann zu günstigeren Konditionen wieder einzustellen.

derStandard.at

Für über 50-jährige Langzeitarbeitslose sollen in den kommenden zwei Jahren 200 Millionen Euro an zusätzlichen Fördermitteln bereitgestellt werden. Es geht dabei um den Ausbau von Jobs in sozialökonomischen Betrieben, gemeinnützigen Projekten und Gemeinden. Im Vorjahr wurden bereits 23.000 Arbeitslose über solche Programme unterstützt. Nun sollen weitere 20.000 dazukommen. Starten will man im Sommer mit Pilotprojekten (in jedem Bundesland ein Bezirk). Gleichzeitig wird für Menschen, die nach dem 50. Geburtstag eingestellt wurden, der Kündigungsschutz gelockert. Derzeit gilt bei ihnen nach zwei Jahren ein besonderer Schutz.

Männer stärker betroffen als Frauen

Fast 100.000 Menschen über 50 Jahren waren im Vorjahr arbeitslos. Das ergibt eine Arbeitslosenquote von 9,7 Prozent, bei Männern (11 %) ist sie etwas höher als bei Frauen (8,2 %). Absolut gesehen, ist das ein Rekord im Vergleich zu den vergangenen zehn Jahren.

Der Anteil der Personen bei den über 50-jährigen Arbeitslosen, die seit länger als einem Jahr keinen Job haben, hat 2016 einen Höhepunkt erreicht. Fast 25.000 Personen in dieser Altersgruppe sind seit länger als einem Jahr vorgemerkt.

Mindestlohn vertagt

Das große ideologische Streitthema gesetzlicher Mindestlohn wurde von SPÖ und ÖVP elegant umschifft. In den kommenden Monaten sollen sich die Sozialpartner des Themas annehmen, wurde vereinbart. Bis zum 30. Juni müssen Gewerkschaft und Wirtschaft nun einen "Stufenplan für einen flächendeckenden Mindestlohn von zumindest 1.500 Euro" ausarbeiten. Nur wenn sie sich nicht einigen können, wird ein gesetzlicher Vorschlag umgesetzt.

Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl und ÖGB-Präsident Erich Foglar haben sich zuletzt aber bereits optimistisch gezeigt, dass man zu einer Einigung kommen werde. Es wird wohl wie schon bei der 1.000-Euro-Grenze vor zehn Jahren auf eine "Generalvereinbarung" hinauslaufen, durch die jene Branchen, die noch weniger als 1.500 Euro zahlen, aufgefordert werden, binnen eines bestimmten Zeitraums die Löhne anzuheben.

Bild nicht mehr verfügbar.

Das Friseurgewerbe zählt traditionellerweise nicht zu den bestbezahlten.
Foto: dpa

Was zumutbar ist

Neu ist, dass auch bei den Zumutbarkeitsbestimmungen für arbeitslose Menschen auf den Mindestlohn von 1.500 Euro abgestellt wird. Analog zu den Stichtagen, auf die sich die Sozialpartner einigen, wird auch eine Zumutbarkeitsgrenze von 1.500 Euro definiert. Das heißt also: Arbeitslose müssten nur noch Jobs annehmen, die mehr als 1.500 Euro einbringen. Wird weniger gezahlt, kann der Job abgelehnt werden, ohne dass eine AMS-Sperre folgt.

Vereinbart wurde aber auch eine Verschärfung bei den Zumutbarkeitsbestimmungen. Arbeitslose, die kleine Kinder zu betreuen haben, müssen künftig Jobs im Ausmaß von mindestens 20 Wochenstunden annehmen (derzeit 16 Stunden). Darauf hat das AMS schon länger gedrängt, weil es in der Praxis kaum Jobs für 16 Stunden gebe. An den zumutbaren Wegzeiten ändert sich nichts.

ÖGB-Präsident Erich Foglar (re.) und Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl müssen nun bei den Themen Arbeitszeit und Mindestlöhne ran.
Foto: apa

Anreize zum Umzug

Damit arbeitslose Menschen auch weiter entfernte Jobs annehmen, werden aber die Förderungen auf neue Beine gestellt. Zusätzlich zur Entfernungsbeihilfe (maximal 203 Euro pro Monat für Fahrtkosten) kann eine weitere Förderung in der Höhe von 400 Euro pro Monat beantragt werden, um Kosten für die doppelte Haushaltsführung abzudecken.

Im Grund wird damit die alte Übersiedelungsprämie wieder aufgelegt, die erst Anfang 2016 wegen geringen Erfolgs eingestellt wurde. Das AMS soll künftig auch gleichzeitig die Entfernungsbeihilfe und eine Kombilohnhilfe gewähren können. Bei Letzterer bekommt der Arbeitgeber einen Teil der Lohnkosten ersetzt, wenn er ältere Langzeitarbeitslose beschäftigt. Für diese Programme gilt allerdings: Sie müssen im Rahmen des bestehenden AMS-Förderbudgets finanziert werden.

Warten auf Flexibilisierung

Wieder warten heißt es für die Arbeitgeber beim Thema Arbeitszeitflexibilisierung. Ähnlich wie beim Mindestlohn wurden die Sozialpartner aufgefordert, eine Lösung bis zum 30. Juni 2017 herbeizuführen. Gibt es die nicht, wollen SPÖ und ÖVP im dritten Quartal einen "eigenen Vorschlag beschließen".

Beim Arbeitsmarktzugang von EU-Ausländern will man der EU-Kommission im März einen Vorschlag zur Einschränkung vorlegen. Wie berichtet, hätte die SPÖ gern, dass nur dann EU-Zuwanderer zum Zug kommen, wenn das AMS keine Inländer findet. Hier Mehrheiten in Brüssel zu finden gilt aber als unwahrscheinlich. (Günther Oswald, Gerald Gartner, 30.1.2017)