Verismo in der Walfischgasse: Alles wird gut in der Kinderoper "Patchwork" von Komponist Tristan Schulze.

Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Wien – So unterschiedliche Persönlichkeiten wie Donald Trump und Josef Hader leben es vor: Die serielle Monogamie ist eine Existenzform, die sich zunehmender Beliebtheit erfreut. Als Folge fruchtbarer Lebensabschnittspartnerschaften zählen fleckerlteppichartige Familienkonstellationen nun zum Standardinterieur unserer Gesellschaft: Patchwork ist, um im Denglischen zu bleiben, Mainstream.

Die Staatsoper, am Hauptstandort auf Mord, Totschlag und die wahre Liebe abonniert, präsentiert ihrem jüngeren Publikum auf der Agrana-Studiobühne eine lebensnahe Alltagsgeschichte: Verismo in der Walfischgasse, quasi. Tristan Schulze (Musik) und Johanna von der Deken (Libretto) erzählen in der Kinderoper Patchwork vom Alltag zweier Alleinerziehender, die am Ende – Oper soll immer das Utopische wagen! – samt Anhang wieder zu liebreizender Zweisamkeit finden.

Der Wirbelsturm

Musik und Textbuch gehen gleich vom ersten Takt/Satz an in medias res, man sieht Stephanie Houtzeel als arg schlafdefizitäre Dreifachmami Vera im Zentrum eines Wirbelsturms namens Familie. Das Leben von Tochter Toni (Laetitia Pacher) ist noch ganz von Lillifee und der Farbe Lila dominiert, während Lea (großartig: Allegra Pacher) schon in die Phase des gelangweilten Girls eingetreten ist. Tim (Victor Munteanu) interessiert sich vorrangig für seinen Robosapien. In die Wohnung nebenan zieht Architekt Niko (schön: Clemens Unterreiner) mit seinem Sohn Joshua (cool: Raphael Reiter) ein. Nach einem suboptimalen Erstkontakt kommen sich Vera und Niko immer näher, und auch die Kinder freunden sich an. Wieso also nicht Mauern niederreißen und aus zwei kleinen Familienwohnungen wieder eine große machen?

Wenn man Johanna von der Dekens detailgenaue Beschreibungen des Aufmerksamkeitskampfplatzes Familie miterlebt, muss man sagen: Die Frau kennt sich aus. Und auch zum Thema mütterliches Multitasking im komplexen Tätigkeitsfeld des Familienmanagements braucht man ihr nichts zu erzählen. Der Handlungsgang des Textbuchs spult sich in einem quirligen Allegro vivace ab; in einer Stunde sind nicht nur Nikolaus, Weihnachten und Silvester absolviert, sondern auch ist die Vereinigung der zwei Rumpffamilien über die Studiobühne gebracht worden.

Auf musikalischem Gebiet beweist sich Schulze als Alleskenner und Alleskönner: In Sekundenschnelle switcht er von Walzerseligkeit zu Jazz, von Händel zu Volksmusik. Der Triology-Gründer nimmt das Tempo des Librettos auf und surft lustvoll durch Stile. Es ist ein Vergnügen, dieser Musik zuzuhören.

Ein kleines Manko der Produktion: Wenn das hinter dem Publikum platzierte Orchester (Leitung: Witolf Werner) spielt, hört man die Kinder mitunter nur schlecht singen, wenn das kleine Quartett neben der Bühne musiziert, ist es besser. Schade nur, dass Regisseurin Silvia Armbruster die beiden Erwachsenen zu sitcomhafter Schrillheit animiert: Speziell Stephanie Houtzeels Überdrehtheit und ihre Pippi-Langstrumpf-Ringelstrümpfe (Ausstattung: Stefan Morgenstern) wollen nicht zur Situation einer Dreifachmutter in den besten Jahren passen. Hier wäre mehr Realitätsnähe wohltuender gewesen. Zum Schluss gibt es noch den großen Patchwork-Song und Friede, Freude, Eierkuchen. (Stefan Ender, 30.1.2017)