Frauen in Pelzmänteln, Hunde in Steppjacken, Champagnerpartys in Luxushotels. St. Moritz hat ein Image. Und das Image ist nicht billig. Auf 1822 Meter Seehöhe, im Oberengadin, Kanton Graubünden, treffen sich sowohl die Schönen als auch die Prominenten, und vor allem die Reichen.

Edelboutiquen, Nobelrestaurants und Luxushotels einerseits – Skipisten, Bobbahn, Polo, Pferderennen auf Eis andererseits. All das hat Tradition in St. Moritz. Der 5000-Einwohner-Ort gilt als Geburtsstätte des Wintersports und des Wintertourismus.

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Die Pelzmäntel und der Edel-Juwelier – ein Bild, das Klischees bedient.
Foto: Galli / laif / picturedesk.com

Alles begann mit einer Wette. Der Engadiner Hotelier Johannes Badrutt, Besitzer der Hotel-Pension Engadiner Kulm, lud im Herbst 1864 sechs englische Gäste für den Winter ein. Er versprach ihnen, dass sie bei Sonnenschein hemdsärmelig auf seiner Terrasse sitzen könnten. Anderenfalls wollte er ihnen zusätzlich die Reisekosten ersetzen.

Die Engländer nahmen die Einladung an, blieben von Weihnachten bis Ostern und reisten braungebrannt zurück. Die Sache blieb nicht geheim. Immer mehr Engländer reisten fortan in den sonnigen Ort in den Schweizer Alpen. Und die Engländer brachten Sportarten wie Curling, Bob und Skeleton nach St. Moritz.Auch der Skisport hat hier Tradition.

Fünfte Ski-WM in St. Moritz

Zum fünften Mal nach 1934, 1948, 1974 und 2003 richtet der Ort ab Montag die Alpinen Skiweltmeisterschaften aus. Aber passt eine derartige Massenveranstaltung überhaupt noch in das mondäne St. Moritz? Der eine oder andere Luxustourist wird den Ort zu dieser Zeit wohl eher meiden. Ein Großereignis, sagt Ariane Ehrat, Tourismuschefin von Engadin – St. Moritz, bringe Herausforderungen mit sich. Aber in erster Linie sei die WM eine Chance für den Ort.

Die vergangenen Jahre waren für St. Moritz schwierig. Die per Volksentscheid beschlossene Beschränkung von Zweitwohnungen freut zwar manche Bewohner – bremste aber die Bauwirtschaft. Es werden praktisch keine Zweit- und Ferienwohnungen mehr gebaut. Zudem blieben Urlauber aus. Der Kursanstieg des Schweizer Franken – unter anderem durch die Aufhebung des Mindestkurses von 1,20 pro Euro 2015 – trug das seine dazu bei. Ehrat: "Mit jedem Prozent, das der Franken teurer wird, haben wir um ein Prozent weniger Nächtigungen."

Leere Geschäftslokale

In den vergangenen 15 Jahren hat St. Moritz fast ein Drittel an Nächtigungen verloren. Hotels mussten schließen. Auch zahlreiche Geschäfte sperrten zu. Etwa jedes zehnte Geschäftslokal sei im Sommer 2016 leer gestanden, sagt Michael Pfäffli, Präsident des Handels- und Gewerbevereins St. Moritz zum Standard. Insgesamt dreißig seien es gewesen, mehr als in den Jahren davor.

Ein Grund dafür sind die im Schweiz-Vergleich überdurchschnittlich hohen Mieten. Bis zu 2000 Franken (1870 Euro) werden im Jahr für den Quadratmeter verlangt. Für ein 80-Quadratmeter-Lokal bedeutet das eine Monatsmiete von mehr als 13.000 Franken (12.200 Euro).

St. Moritz hatte in Sachen Wintertourismus und Wintersport häufig die Nase vorn.

Pfäffli sieht nicht nur in den hohen Mieten ein Problem. "In St. Moritz gab es eine gewisse Monokultur: viele Kunstläden, Bijouterien, wenig Alltägliches." Nun sei eine Korrektur im Sortiment vorgenommen worden. Die Zahl der Leerstände ist mittlerweile saisonbedingt zurückgegangen.

In der Beschränkung von Zweitwohnungen sieht Ehrat auch etwas Positives: "Es ist heute praktisch unmöglich Hotels zu verkaufen, um diese in Zweitwohnungen umzubauen." Im Tourismus geht es indes auch wieder leicht aufwärts.

Die aktuelle Wintersaison sei, so Ehrat, besser angelaufen als die vorangegangene. Vor allem Asiaten haben St. Moritz für sich entdeckt. Und durch die Ski-WM ist der Ort ohnehin in der Auslage. "Während der Weltmeisterschaft sind wir zu 95 Prozent ausgebucht."

Wintergäste und Nächtigungen im Vergleich mit Schladming, dem WM-Ort 2013.

Ehrat freut sich "auf eine wunderbare Durchmischung" der Gäste. Auch, was das Image des Ortes angeht, setzt man auf Mischung. St. Moritz biete "Luxus, mit Sport und Natur angereichert". Selbstverständlich bietet auch eine Ski-WM Platz für Prominente und Reiche. Ehrat: "Das VIP-Zelt war in kürzester Zeit ausgebucht."

Und wem eine Ski-WM zu banal ist, der kann auf das White Turf ausweichen. Wenn am 12. Februar die Damen-Abfahrt und am 19. Februar der Herren-Slalom steigen, sind unten auf dem gefrorenen St. Moritzersee die Pferde los. Neben klassischen Galopp- und Trabrennen lassen sich beim Skijöring Skiläufer von einem Pferd ziehen.

Der erste Skijöring-Wettkampf in St. Moritz stieg 1906. Auch in vielen anderen Wintersportarten hatte der Ort die Nase vorne. 1904 wurde die Bobbahn zwischen St. Moritz und Celerina eröffnet. Der 1722 Meter lange Eiskanal ist die älteste noch benutzte Bobbahn der Welt. Die letzte noch bestehende Natureisbahn wird jedes Jahr neu errichtet. Mit 5000 Kubikmeter verbautem Schnee ist der Olympia Bobrun zudem die größte Schneeskulptur der Welt.

Der Schiefe Turm ist das Wahrzeichen von St. Moritz.
Foto: St. Moritz Tourismus/Filip Zuan

In unmittelbarer Nähe befindet sich der von britischen Offizieren erbaute und 1884 eröffnete Cresta Run. Die gleichnamige Sportart, die auf der Natureisbahn betrieben wird, ist dem Skeleton sehr ähnlich. Die ausschließlich männlichen Piloten stürzen sich mit dem Kopf voran auf einem speziellen Schlitten mit bis zu 140 km/h die 1214 Meter lange Bahn hinab. Noch heute steigen mehr als 30 Rennen pro Winter. Der Bahnsprecher spricht Englisch. Auf dem gefrorenen St. Moritzersee werden neben Pferderennen auch Poloturniere, ausgetragen.

Für Mutige: der Cresta Run.
andy bamford

Viele Sonnentage

Es braucht kein großes Glück, damit all die Veranstaltungen bei gutem Wetter über die Bühne gehen können. In St. Moritz scheint im Schnitt an 322 Tagen im Jahr die Sonne. Möglicherweise auch vom Wetter beeinflusst, schrieb der Schriftsteller Thomas Mann einst über die Gegend: "Dies Oberengadin ist der schönste Aufenthalt der Welt. Nicht leicht spreche ich von Glück, aber ich glaube beinahe, ich bin glücklich hier."

"Nicht leicht spreche ich von Glück, aber ich glaube beinahe, ich bin glücklich hier"

Auch Charlie Chaplin, Alfred Hitchcock, Herbert von Karajan, John Lennon, Wladimir Putin oder die niederländische Königsfamilie urlaubten oder urlauben in St. Moritz. Der eine oder andere vielleicht auch im Hotel Kulm. Das traditionsreiche Haus ist eines von fünf Fünfsternehotels in im Ort. Für schlappe 5000 Franken (4700 Euro) ist eine Nacht in der Präsidenten-Suite zu haben.

Noch immer verfügt der Ort über überdurchschnittlich viele Luxus-Unterkünfte. Bezüglich des Ladenangebotes findet Michael Pfäffli, habe der Ort aber an Exklusivität eingebüßt. "Was es in St. Moritz gibt, gibt es auch in Berlin. Wir sind auf dem Weg von einem ganz speziellen zu einem speziellen Ort." (Birgit Riezinger, 6.2.2017)