Tele-München-Chef Herbert Kloiber, noch ATV-Eigentümer.

Foto: TMG / Andreas Büttner

Fernsehmarkt 2016 und TV-Werbemarktanteile von ORF und Privatsendern seit 1996.

grafik: STANDARD

München/Wien – ATV-Eigentümer Herbert Kloiber kündigt den Verkauf des Senders an die größte Privatsendergruppe ProSiebenSat1Puls4 "in den nächsten Tagen" an. "Der Verkauf ist im Zielkorridor. Es gibt nur kleine Hürden zu überwinden", sagte Kloiber dem "Handelsblatt". "In den nächsten Tagen wird unterschrieben." Der Chef der Wettbewerbsbehörde, Theodor Thanner, sieht die Wiese offenbar noch nicht so gemäht.

"Vertiefte Prüfung möglich"

Auf STANDARD-Anfrage erklärt Thanner am Dienstag: "Sollten Bedenken hinsichtlich des Werbemarktes beziehungsweise der Medienvielfalt innerhalb der Prüfungsphase nicht ausgeräumt werden können, ist nach den gesetzlichen Vorschriften auch eine vertiefte Prüfung möglich."

Die Wettbewerbsbehörde BWB prüfte und verhandelte bis zuletzt noch intensiv, unter welchen Auflagen ein solcher Deal ohne Kartellgerichtsverfahren möglich wäre. Eine Entscheidung darüber ist bisher nicht bekannt.

"Marktbeherrschende Stellung verhindern": BWB prüft Auflagen

BWB-Chef Thanner erklärt auf STANDARD-Anfrage: "Bei der Behörde ist noch keine Anmeldung eingelangt. Die Aufgabe in der 1. Prüfungsphase der BWB ist es, die möglichen Auswirkungen auf den Markt zu untersuchen und eine erhöhte Konzentration oder eine daraus entstehende marktbeherrschende Stellung zum Beispiel durch Auflagen zu verhindern."

Bei einem Medienzusammenschluss müsse "zusätzlich auch darauf geachtet werden ob ein Zusammenschluss die Medienvielfalt beeinträchtigt. Ein weiteres Prüfkriterium werden vor allem Auswirkungen auf den Wettbewerb im TV Werbemarkt sein."

Der BWB-Chef über das Prozedere: "Sollte der Zusammenschluss zum Beispiel mit Auflagen genehmigt werden, werden diese auf unserer Homepage am Ende der Prüfphase veröffentlicht."

Infos über weitere Kaufangebote

Zuletzt kursierten Informationen über weitere Kaufangebote, die weniger kartellrechtliche Schwierigkeiten bereiteten – kolportiert wurde etwa ein Angebot der Familie Fellner (Mediengruppe Österreich). "Heute"-Herausgeberin Eva Dichand gab ihr Anbot am Dienstagabend via Twitter ab: "Die Heute Gruppe ist ebenfalls an einem Kauf von ATV interessiert. Interesse+Kaufpreisvorstellungen werden in nächsten Tagen unterbreitet."

Die Behörde hatte sich eine Entscheidung über mögliche Auflagen bis Dienstag vorgenommen; Kaufangebote könnten diese Vorgespräche verzögern.

Kein Kommentar zu Fellner

Am Freitag verweigerte Kloiber auf STANDARD-Anfrage einen Kommentar zu einem kolportierten Kaufangebot der Familie Fellner. Auch der Mediaprint beziehungsweise den Mediaprint-Zeitungen "Krone" und "Kurier" wurde Interesse an ATV nachgesagt.

Das "Handelsblatt" zitiert nun eine ungenannten Quelle bei ProSiebenSat1 mit: "Wir sind der einzige verbliebene Kaufinteressent."

Die Aussagen Kloibers und von ProSieben könnten sich auf jüngste Gespräche mit der Wettbewerbsbehörde gründen – und/oder mit dem Vorstoß Druck machen.

Fokussierter Marktblick

Dafür spricht die Darstellung der Marktanteile im "Handelsblatt": Der ORF wird mit dem Gesamtmarktanteil seiner beiden Hauptprogramme angeführt, die Privatsendergruppe ProSiebenSat1 aber nur mit den Werten einzelner Programme und ohne den Bruttowerbemarktanteil nach Gruppen, der bei ProSiebenSat1Puls4 die kartellrechtlich wesentliche 30-Prozent-Marke auch ohne ATV übersteigt – Daten zum TV-Markt finden Sie hier. (fid, 31.1.2017)