Snowboarder pilgern zu einem Gipfel in den Aspen Highlands.

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Der legendäre Champagne-Powder, Schnee, der durch die Höhe und die Trockenheit weit im Inneren der Rocky Mountains besonders leicht und fein fällt, ist einer der beiden Rohstoffe, auf dem sich der Ruhm von Aspen gründet.

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Aspen hat 6.500 Einwohner, aber in der Hochsaison steigt die Zahl der Menschen im Tal auf über 30.000.

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Dann landet oder startet alle sechs Minuten ein Flugzeug auf dem Flughafen, Linienmaschinen, aber vor allem Privatjets, zum Beispiel von Schauspielern wie Jack Nicholson und Kevin Costner oder des Oligarchen Roman Abramowitsch.

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Die günstigsten Eigenheime kosten fünf Millionen Dollar, Aspen hat die höchsten Immobilienpreise der USA.

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Die Luft ist dünn hier oben, und das nicht nur, weil Aspen auf 2.400 Metern über dem Meeresspiegel liegt. An einem klaren Wintermorgen im Skigebiet Aspen Mountain biegt Zach Lentz auf seinen breiten Skiern in einen Steilhang ein. Er macht spielerisch ein paar Schwünge auf dem Hang, auf dem in wenigen Wochen das Skiweltcupfinale stattfinden wird, als sein Handy klingelt. Er bleibt stehen. Eigentlich ist Lentz Immobilienmakler, heute aber ist er Ski-Guide, ein paarmal im Winter macht er das, dafür bekommt er die Saisonkarte von den Bergbahnen, 2.000 Dollar (rund 1.850 Euro) wert – und jetzt telefoniert er am Rande der Piste.

Lentz schweigt, hört zu, blickt ein bisschen genervt, weil sein Gesprächspartner nicht aufhören will zu reden. "Da würde ich eher nach Buttermilk gehen." Am Telefon arbeitet er gerade für seinen dritten Job. Lentz ist bei Elite Destination Homes angestellt, Urlaubsanlagen, an denen Mitglieder Anteile kaufen und dort Urlaub machen können. Lentz kümmert sich um die Wünsche seiner Gäste, betreut sie wie eine Art Concierge im Luxushotel. Dieser Gast will wissen, wo er als Anfänger am besten Ski fahren kann.

Drei Jobs, um über die Runden zu kommen

Aspen hat 6.500 Einwohner, aber in der Hochsaison steigt die Zahl der Menschen im Tal auf über 30.000. Dann landet oder startet alle sechs Minuten ein Flugzeug auf dem Flughafen, Linienmaschinen, aber vor allem Privatjets, zum Beispiel von Schauspielern wie Jack Nicholson und Kevin Costner oder des Oligarchen Roman Abramowitsch. Sie alle haben Häuser in Aspen. Die günstigsten Eigenheime kosten fünf Millionen Dollar, Aspen hat die höchsten Immobilienpreise der USA. Lentz wohnt zur Miete, 2.000 Dollar im Monat für ein Zimmer mit Kochnische, er hat einen siebenjährigen Sohn mit seiner Ex-Frau. Seine drei Jobs braucht er, um in Aspen über die Runden zu kommen.

Zach, tiefe Stimme, immerwährendes Lächeln, ein Sonnyboy, steigt an der Bergstation aus und sagt: "An einem anderen Ort hätte ich wohl nichts mit Immobilien zu tun." Dann stößt er sich mit den Skistöcken ab, und der Schnee stiebt neben seinen Skiern auf. Der legendäre Champagne-Powder, Schnee, der durch die Höhe und die Trockenheit weit im Inneren der Rocky Mountains besonders leicht und fein fällt, ist einer der beiden Rohstoffe, auf dem sich der Ruhm von Aspen gründet.

Der andere ist das Silber, das hier vor mehr als hundert Jahren aus dem Boden gewonnen wurde. 1879 wurde Aspen von Schürfern gegründet, ab 1890 war es eine florierende Minenstadt, zeitweise mit der größten Abbaumenge der USA. 12.000 Menschen lebten hier. 1893 kollabierte die US-Wirtschaft, Silber war nicht mehr gefragt, später waren die Vorkommen erschöpft. Während der Rezession schrumpfte die Einwohnerzahl auf 705. Was aus der ersten Boomzeit blieb, waren Gebäude wie die berüchtigte J-Bar, in der John Wayne und Gary Cooper einst zusammen tranken.

Kokain auf dem Tablett

Die Bar ist am frühen Abend schon gut gefüllt, durch Schaufensterscheiben scheint Abendlicht, altes Holz mit originalen Jugendstilverzierungen aus dem 19. Jahrhundert. Davor lederbezogene Hocker, auf einem sitzt Melissa, 27, schlank, sportlich. Sie arbeitet bei einer PR-Agentur in Aspen. "Mein Vater wollte nicht, dass ich hierherziehe." Sie lacht. "Als er jung war, hatte die Stadt noch den Ruf, komplett drogenverseucht zu sein." Es waren die späten 1960er- und die 1970er-Jahre, die Zeit, als Hunter S. Thompson sich hier niederließ. Der Erfinder des Gonzo-Journalismus, der Alkohol- und Drogenkonsum zu einer Kunstform erhob und ausführlich darüber schrieb, hatte sein Büro in der J-Bar. Der weißhaarige Barmann schnaubt: "Das war eine Hippie-Stadt hier, da gingen die Tabletts mit dem Kokain herum." Heute ist die Bar weit davon entfernt, die Gäste sind eher gediegen.

Stattdessen ist Marihuana in der Stadt frei verkäuflich – Colorado hat die liberalste Drogenpolitik der USA. Melissa nippt an ihrem Margarita. "Ich komme quasi aus dem Staat, der das komplette Gegenteil von Colorado ist", sagt sie. "Texas." Sie spricht nicht den dortigen Akzent und hat auch sonst mit dem Lone-Star-State abgeschlossen. "Texas ist voller ultrakonservativer Menschen, die vor allem essen und sich nicht bewegen." Sie schüttelt angewidert den Kopf. "Im Sommer ist es so heiß, dass man draußen keinen Sport machen kann. Aber das ist genau das, was ich will – ich werde niemals zurückgehen." Seit fünf Jahren wohnt sie in Aspen als "Ski Bum", das sind Menschen, die gerade so viel arbeiten, dass sie sich das Skifahren leisten können. Ende der 1960er war die Stadt voll von ihnen.

Hunderte Schreine im Skigebiet

Als Hunter S. Thompson 1970 zur Sheriffwahl in Pitkin County antrat, bekam er in Aspen die Mehrheit der Stimmen, nicht aber im County, ein Konkurrent gewann die Wahl. Heute findet sich das Wahlplakat in einem kleinen Wäldchen im Skigebiet Aspen Snowmass, an einen Fichtenstamm gepinnt und laminiert. Motiv: geballte Faust, die einen Kaktus umklammert, vor dem Hintergrund des Sheriffsterns. An den Stämmen rundherum hängen Artikel von und über Thompson und Fotos von ihm. "Viele kommen her, um in Erinnerung an Thompson einen Joint zu rauchen", sagt Zach Lentz. Der Thompson-Gedenkort ist nur einer von hunderten Schreinen in den Skigebieten um Aspen. Die bekanntesten sind die für Elvis, Jimi Hendrix, Grateful Dead, dort spürt man noch den Geist der Hippie-Zeit.

Aspen ist, wie ganz Colorado, demokratisch geprägt. Mit dem Präsidenten Trump können die meisten nichts anfangen. "Ich kenne nicht einen Menschen, der zugibt, ihn gewählt zu haben", sagt Lentz. "Wir als Skidestination haben große Angst vor dem Klimawandel – ich hoffe, dass er nichts davon umsetzt, was er in Sachen Umweltpolitik angekündigt hat." Als Trump während des Wahlkampfes nach Aspen kam, rief Bürgermeister Steve Skadron ihn auf, den Klimawandel als reale Gefahr anzuerkennen.

Zach Lentz steht nun an der Talstation des Skigebiets Aspen Mountain mitten im Ort, Gondeln schieben sich zur Einstiegsstelle. "Wir leben hier in einer Blase ohne Armut, ohne Terror." Zach schüttelt den Kopf. "Das ist nicht das wirkliche Leben – aber ich mag es." (Frederik Jötten, 5.2.2017)