Zwei Kerzen und ein Kreuz: die sogenannte Schwurgarnitur.

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Wien – Zwei Kerzen und in der Mitte ein Kreuz: So sieht die sogenannte "Schwurgarnitur" im österreichischen Gerichtssaal aus. Obwohl die Regierung ein "Neutralitätsgebot" für Richter, Staatsanwälte und Polizisten plant, wird das Kreuz im Gerichtssaal bleiben. Das stellten die Regierungskoordinatoren Thomas Drozda (SPÖ) und Harald Mahrer (ÖVP) bereits am Mittwoch klar.

Die Richtervereinigung kritisiert diese Entscheidung. "Wir fordern ein umfassenden Neutralitätsgebot", sagt Vizepräsidentin Sabine Matejka zum STANDARD. Dies dürfe sich nicht nur auf die Kleidung der Richter beziehen, sondern müsse auch für die Räumlichkeiten gelten. "Es ist nicht neutral, wenn ich vor einem Kreuz sitze und im Namen der Republik spreche." Schon jetzt lassen viele Vorsitzende die Schwurgarnitur entfernen, wenn sie nicht aus Sicherheitsgründen festgeschraubt ist. Das werden sie auch weiter tun müssen. Es gehe bei der vorgeschlagenen Neutralität um das Tragen von religiösen Symbolen durch Personen und nicht um das Kreuz im Saal, sagt Staatssekretär Mahrer.

"Distanzierende Neutralität"

Für den Religionsrechtler Richard Potz, emeritierter Professor an der Universität Wien, ist das Kreuz im Gerichtssaal nicht argumentierbar. "Dort, wo der Staat eine hoheitliche Funktion hat, herrscht eine distanzierende Neutralität", sagt er zum STANDARD. Das Kreuz passe da nicht dazu. Es habe auch nichts mit Religionsfreiheit zu tun, sondern werde damit argumentiert, dass man es für die Eidablegung vor Gericht brauche. "In Strafprozessen gibt es aber keinen Eid, und auch im Zivilbereich spielt er kaum eine Rolle", sagt Potz, der daraus schließt: "Das Kreuz gehört aus dem Gerichtssaal." Auch Matejka sagt, dass die Schwurgarnitur heutzutage kaum mehr gebraucht werde; und wenn, könne sie geholt werden.

Ob für die Umsetzung des Neutralitätsgebots ein eigenes Gesetz nötig ist, ist umstritten. Laut Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) braucht es für Richter kein neues Gesetz, da Talar und Barett ohnehin vorgeschrieben seien. Hier widerspricht ihm Richterin Matejka: "Eine Verordnung ist keine Basis für ein Verbot." Wenn man in Grundrechte eingreife, brauche man jedenfalls ein Gesetz. "Sonst wird das nicht halten." Für die Exekutive könnte ein Kopftuchverbot in die Polizeiuniformtragevorschrift geschrieben werden, heißt es aus dem Innenministerium.

Lehrerinnen nicht betroffen

Nicht vorgesehen ist von der Regierung ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen. Laut Potz ist dies mit dem bisherigen Umgang Österreichs mit Religionen konsistent. "Dort, wo der Staat repräsentiert, gibt es eine hereinnehmende Neutralität." Schule würde die Gesellschaft widerspiegeln, und Schüler seien in der Gesellschaft mit dem Kopftuch konfrontiert, deshalb könne man sie auch in der Schule damit konfrontieren. Zudem würde man mit einem Kopftuchverbot die Religionsfreiheit einschränken, sagt Potz.

Offenbar noch nicht geklärt ist innerhalb der Koalition, ob das Kreuz im Klassenzimmer hängen bleibt. SPÖ-Staatssekretärin Muna Duzdar noch "mit allen Religionsgemeinschaften" diskutieren, was das Gebot "im Einzelnen dann genau heißt". Klar ist für sie jedenfalls: "Das Neutralitätsgebot ist kein Kopftuchverbot." Die ÖVP habe ein Kopftuchverbot gefordert, man habe sich letztlich aber auf ein Neutralitätsgebot beschränkt.

Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) widerspricht. "Die Entfernung des Kreuzes aus der Klasse oder dem Gerichtssaal war weder Ergebnis noch Thema bei den Verhandlungen über das Regierungsprogramm", sagt er: "Das Kreuz bleibt." Was hingegen "klar" beschlossen worden sei: "Erstens das Verbot der Vollverschleierung durch ein eigenes Gesetz. Zweitens das Untersagen des Tragens sichtbarer politischer oder religiöser Symbole für Richter, Staatsanwälte und Polizisten."

Auch Bildungsminister Sonja Hammerschmid (SPÖ) sagt: "Das Neutralitätsgebot, wie es im Arbeitsprogramm der Bundesregierung formuliert ist, betrifft das Kreuz im Klassenzimmer nicht. Die Kreuze werden weiterhin im Klassenzimmern hängen." (Lisa Kogelnik, APA, 1.2.2017)