Indem Studienleiter finanzielle Zuwendungen von Pharmaunternehmen erhalten, steht die Glaubwürdigkeit der evidenzbasierten Medizin auf dem Spiel, so das Fazit einer Studie.

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Bevor ein neues Medikament zugelassen wird, bedarf es klinischer Studien. Zur Praxis gehört es auch, dass die damit beauftragten Wissenschafter in einer finanziellen Beziehung zu jenen Pharmafirmen stehen, über deren Produkte sie unabhängige Forschung betreiben sollen. Das kann die Studienergebnisse beeinflussen, wie Forscher der Universität von Kalifornien im "British Medical Journal" schreiben. Dieser mögliche Interessenkonflikt zeigt sich daran, dass die Ergebnisse positiver dargestellt werden, als sie sind. Das führe zu einer Verzerrung der evidenzbasierten Medizin, beklagen die Autoren.

Dass die Pharmaindustrie Kontakte zu den Verfassern randomisiert-kontrollierter Studien (RCT) hält, ist kein Geheimnis. Bislang wurde zwar viel über die Verbindung zwischen Studienfinanzierungsquelle und Ergebnis geforscht, es gab aber nur wenige Daten über die persönlichen finanziellen Verbindungen von Studienleitern zur Pharmaindustrie und die möglichen Auswirkungen auf die Ergebnisse, heißt es vonseiten der US-Forscher.

Interessenkonflikte

Die Wissenschafter der Universität von Kalifornien analysierten diese möglichen Auswirkungen anhand einer Zufallsauswahl von 195 Medikamentenstudien aus dem Jahr 2013. Ziel war es herauszufinden, ob es direkte finanzielle Beziehungen zwischen Pharmafirmen und Studienleitern gibt und welchen Einfluss sie auf die Ergebnisse haben.

Die Wissenschafter konzentrierten sich dabei auf randomisierte, kontrollierte Phase-III-Studien, in denen die Wirksamkeit und Sicherheit von Medikamenten geprüft wird, bevor sie auf den Markt gelangen. Die daraus gewonnenen Ergebnisse dienen als Grundlage für die Zulassungsentscheidung und können eine große Auswirkung sowohl auf die klinische Praxis als auch auf die Kosten des Gesundheitssystems haben.

Das Ergebnis der Studie: Mit 58 Prozent wiesen mehr als die Hälfte der Studienleiter eine finanzielle Verbindung zur Pharmaindustrie auf – etwa in Form von Reisekostenübernahmen, Honoraren, einer Bezahlung für Beratertätigkeiten oder Aktienbesitz. In solchen Fällen erhöhte sich die Wahrscheinlichkeit signifikant, dass die Studienergebnisse eher positiv ausfielen. Das ändert sich auch nicht unter Einbeziehung weiterer möglicher Einflussfaktoren wie etwa dem Stichprobenumfang, betonen die Wissenschafter.

Rollen neu definieren

Da es sich um eine reine Beobachtungsstudie handelt, können die Autoren über die Ursachen nur spekulieren. Sie gehen aber von einem multifaktoriellen Zusammenhang aus, der industriebasierte Finanzierungen, persönliche finanzielle Beziehungen und verzerrte Studienergebnisse – etwa durch selektives Reporting, Publikationsbias oder unzureichende Analysen – miteinander verbindet.

"Wir müssen uns intensiver darüber Gedanken machen, welche Rolle Forscher, Entscheidungsträger und Studienautoren künftig spielen können, um glaubwürdige Ergebnisse zu liefern", schlussfolgern die Autoren.

Transparenz und Datenaustausch gefordert

In dieselbe Kerbe schlagen Wissenschafter der Universitäten von Süddänemark und Sydney. Auf diesem Gebiet müsse weiter geforscht werden, schreiben sie in einem zugehörigen Kommentar im "BMJ". Sie drängen die Leiter klinischer Studien dazu, Einblicke in ihre Daten zu geben. Außerdem sollten Forscher nur dann an von der Industrie finanzierten Untersuchungen teilnehmen, wenn die Daten offengelegt werden.

Ihr Vorschlag: Wissenschaftliche Journale sollten Forschungsergebnisse von Autoren, die sich gegen den Datenaustausch wehren, zurückweisen. Autoren, die ihre finanziellen Beziehungen zur Pharmaindustrie nicht offenlegen, müsse mit Strafe gedroht werden.

Die Rolle von Sponsoren und anderweitigen Verbindungen gehöre transparent gemacht. Deshalb solle man derartige Studienergebnisse "mit Vorsicht interpretieren, bis alle relevanten Informationen vollständig offengelegt und zugänglich sind". (maka, 2.2.2017)