Ab in den Schlafsack: Ein paar Tage Camping ohne Taschenlampe und Handy haben eine erstaunliche Wirkung

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Boulder/Wien – Unser notorischer Schlafmangel hat oft einfache Gründe: Wir gehen spät ins Bett und schlafen dort immer später ein. Denn im Bett ist zuerst noch eine Folge der neuen Fernsehserie zu konsumieren, am Smartphone muss noch einmal gewischt werden, und womöglich greifen Sie vor dem Einschlafen ja auch noch zum Buch oder E-Book.

Das macht es nicht einfach, in der Früh rechtzeitig aus den Federn zu kommen: Durch die Verschiebungen der inneren Uhr – oder wissenschaftlicher formuliert: der circadianen Rhythmik – ergeben sich dann tagsüber vielfach Probleme, von denen Gähnen nur das harmloseste ist.

Wir sind in der Schule oder am Arbeitsplatz weniger aufmerksam. Übermüdung erhöht das Unfallrisiko und lässt Menschen leichter krank werden. Letzteres liegt daran, dass Schlafentzug zu ungünstigen Veränderungen im Immunsystem führt, wie Wissenschafter um Nathaniel Watson (University of Washington) in einer Studie mit elf eineiigen Zwillingspaaren ermittelten.

Schwächeres Immunsystem

Wie die Forscher im Fachblatt "Sleep" berichten, führte Schlafmangel unter anderem zu sehr viel schwächeren Antikörper-Reaktionen auf Impfungen. Zudem zeigte sich beim Zwillingsvergleich, dass die jeweils angemessene Schlafdauer rund zur Hälfte genetisch bedingt sein dürfte, konkret ermittelten die Forscher einen Anteil von 31 bis 55 Prozent.

Es hängt umgekehrt also ein erklecklicher Teil der Schlafdauer von den Umweltbedingungen ab. Und deren Veränderungen erklären auch, warum in der westlichen Welt die durchschnittliche Schlafdauer in den vergangenen hundert Jahren um rund 90 Minuten zurückging und bei vielen unter sieben Stunden pro Nacht sank, die als Mindestdauer empfohlen werden.

Weniger befriedigendes Sexualleben

Diese zumindest sieben Stunden Schlaf gehen übrigens auch mit einem erfüllteren Sexualleben von älteren Frauen einher, zeigte eine große Studie, für die mehr als 93.000 US-Amerikanerinnen im Alter von 50 bis 79 Jahren befragt wurden. Laut der im Fachblatt "Menopause" veröffentlichten Studienergebnisse hatten Frauen, die weniger als sieben Stunden pro Nacht schliefen, zwar etwas öfter Sex; der wurde aber als weniger befriedigend empfunden.

Wie aber kann man also wieder zu einem ausreichend Maß Schlaf kommen? Der US-Chronobiologe Kenneth Wright (University of Colorado) erforscht, wie sich der Lebensstil auf die innere Uhr auswirkt und wie man diese wieder zurückstellen kann. So hat er bereits vor einigen Jahren mit einer kleinen Gruppe die Auswirkungen von Aufenthalten in freier Natur untersucht – wohl auch inspiriert davon, dass seine Uni-Stadt Boulder am Rand der Rocky Mountains liegt und als Ausgangsort für Outdooraktivitäten gilt.

Schnelle Umstellung

Die Ergebnisse waren nicht weiter überraschend: Die Tage in freier Natur stellten die inneren Uhren der Teilnehmer im Schnitt um etwas mehr als zwei Stunden zurück. Dabei blieben einige Fragen offen: Was würde im Winter passieren, wenn die Sonne weniger lang scheint? Und wie schnell passiert die Umstellung auf natürliche Tag-Nacht-Rhythmen?

Also ließen Wright und sein Team abermals Freiwillige ein paar Tage in den Rocky Mountains verbringen, diesmal nur ein Wochenende lang im Sommer und dann einige Tage im Winter rund um die kürzesten Tage des Jahres.

13 Mal mehr Sonne

Die Ergebnisse blieben im Wesentlichen die gleichen: Schon ein Wochenende führte im Sommer dazu, dass sich die innere Uhr um rund zwei Stunden zurück stellte, ablesbar an den Veränderungen des Melatoninspiegels. Das Gleiche passierte beim Winter-Campen: Die Melanoninwerte stiegen um zweieinhalb Stunden früher an, und die Probanden schliefen entsprechend früher ein. Vor allem aber führen die Tage im Freien dazu, dass die Testpersonen 13 Mal mehr Licht abkriegten, schreiben die Forscher um Wright im Fachblatt "Current Biology."

Da Camping – zumal im Winter – nicht jedermanns Sache ist, hat der Chronobiologe auch noch ein paar alltagstauglichere Tipps: Gerade im Winter sollte man viel Zeit im Freien und an der Sonne verbringen und die künstliche Beleuchtung und die Raumtemperatur am Abend reduzieren. (tasch, 3.2.2017)