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Wien – Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) will per Verordnung bestimmte Straßen und Plätze für Demonstrationen untersagen, allerdings nur befristet. Das geht aus dem Begutachtungsentwurf hervor, den er heute der SPÖ zugeleitet hat. Ferner sollen "Spaßkundgebungen" nicht mehr unter das Versammlungsrecht fallen, und es soll zwischen zwei Demos einen Sicherheitsabstand geben.

In den Erläuterungen zum Begutachtungsentwurf wird argumentiert, dass gehäufte Versammlungen an bestimmten Plätzen nachhaltige Auswirkungen etwa auf den Geschäftsbetrieb dort etablierter Gewerbebetriebe oder auf den Personenverkehr haben sowie auch für Lärmbelästigung von Anrainern sorgen.

Daher wird vorgeschlagen, dass der Innenminister an gewissen Plätzen oder Straßenzügen insgesamt 876 Stunden pro Jahr Demos untersagen kann. Freilich kann nicht eine ganze Region, also beispielsweise die Innenstadt, als Demo-Zone verboten werden, wird betont.

SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim sagte am Montag dem STANDARD, dem der Entwurf vorliegt, dass er eine Entscheidung von Fall zu Fall für notwendig halte und Demo-Zeitkontingente für ihn daher "denkunlogisch" seien. Auch Rechtsexperten hatten vorab betont, dass hier stets im Einzelfall zu entscheiden sei.

72 Stunden Vorbereitungszeit für Polizei

Geht es nach den Plänen des Innenministers, soll die Exekutive künftig auch mehr Zeit erhalten, sich auf Demonstrationen vorbereiten zu können, konkret 72 Stunden. Zusätzlich soll die Anzeige der Versammlung detaillierter ausfallen müssen. Beschwichtigt wird, dass laut Judikatur sogenannte Spontanversammlungen ohnehin weiterhin möglich sein müssen.

Angestrebt wird vom Ministerium auch eine stärkere Trennung von Demonstrationen und Gegenkundgebungen. Angepeilt werden 150 Meter. Diese Grenze kann laut Erläuterungen nur dann unterschritten werden, wenn keine Sicht- oder Schallverbindung zu einer anderen Versammlung besteht, wie dies etwa im engverbauten Stadtgebiet der Fall sein kann. Außerdem sollen Personen aus dieser Zone weggewiesen werden können.

Leiter dürfen keine Gegenstände bei sich haben

Was die Adjustierung von Demonstranten angeht, werden die Verbote ausgeweitet. Neu kommt hinzu, dass Versammlungsteilnehmer auch keine Gegenstände bei sich haben dürfen, die geeignet sind, im Falle "des erforderlich werdenden Einsatzes von Zwangsmaßnahmen" diese abzuwehren oder unwirksam zu machen, beispielsweise Schutzbekleidung, Schutzhelme oder Schutzschirme.

Zuwiderhandeln wird zur Verwaltungsübertretung erklärt. Weiters wird das Nichtverlassen des Versammlungsorts nach einer Auflösung der Versammlung oder einer Wegweisung unter Strafe gestellt.

Der Versammlungsleiter soll für die Wahrung der Ordnung in der Versammlung sorgen und Gesetzesverstößen sofort entgegenwirken. Er hat die Versammlung aufzulösen, wenn seinen Anordnungen nicht Folge geleistet wird. Ist kein Leiter bei der Demo anwesend, treffen laut Gesetzesentwurf dessen Aufgaben jenen Teilnehmer, der etwa durch Vorangehen und Aufforderungen, ihm zu folgen, die Route der Versammlung bestimmt.

Bis zu 10.000 Euro Strafe

Kommt es bei einer Versammlung zu mehreren gerichtlich strafbaren Handlungen oder zu einer mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung, kann der Leiter – oder eben jene Person, die die Route vorgibt – bei schuldhaftem Verhalten mit bis zu 10.000 Euro pönalisiert werden.

Definiert wird im Gesetz der Begriff der Versammlung als "vorübergehende Zusammenkunft mehrerer Menschen, wenn sie in der Absicht veranstaltet wird, die Anwesenden zu einem gemeinsamen Wirken durch die Erörterung von Meinungen oder die Kundgabe von Meinungen an andere zu bringen, sodass eine gewisse Assoziation der Zusammengekommenen entsteht". Explizit nicht darunter fallen "öffentliche Belustigungen", also beispielsweise Spaß-Demos, die demnach dem Veranstaltungs- und nicht dem Demonstrationsrecht unterliegen würden.

Innenminister sieht keine Einschränkung

Sobotka betont in einer Stellungnahme, dass das neue Versammlungsrecht "selbstverständlich" verfassungskonform und entsprechend den Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention erarbeitet worden sei. Das Recht auf Versammlungsfreiheit werde auch nicht eingeschränkt.

Um diese Grundrechte wirksam schützen zu können, brauche man aber moderne, auf die Herausforderungen von heute abgestimmte neue gesetzliche Regelungen. Ein Abstand von 150 Metern zwischen unterschiedlich ausgerichteten Versammlungen soll Versammlungsteilnehmer schützen und das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit für alle gewährleisten.

Sobotka: Anregung des VfGH

Dass der Begriff der Versammlung definiert wurde, ist laut Sobotka einer Anregung des VfGH geschuldet. Es müsse klar definiert sein, "wann eine grundrechtlich geschützte Versammlung nach dem Versammlungsrecht vorliegt und wann eine Veranstaltung nach anderen Regelungen abgehalten wird", erläutert der Innenminister. Diese Frage werde sich die Behörde auch bei sogenannten Spaß-Demos zu stellen haben und anhand der gesetzlichen Kriterien entscheiden, welchen Regelungen die konkrete Versammlung unterliege.

Die Frage der Festlegung bestimmter Örtlichkeiten, an denen zu bestimmten Zeiten keine Versammlungen stattfinden sollen, betreffe nicht nur Fragen der Erwerbsfreiheit oder wirtschaftlicher Interessen Dritter. Es gehe hier auch um den Schutz anderer berechtigter Rechte Dritter: "Ich denke da etwa an ständige Lärmbeeinträchtigungen im unmittelbaren Umfeld von Krankenhäusern oder andere gesundheitliche Interessen", führte Sobotka aus.

Die Definition eines Versammlungsleiters habe das Ziel, "einen klaren Ansprechpartner für Behörden und Interessengemeinschaften" zu haben. Klar sei aber auch, dass dieser nur hafte, wenn ihm rechtswidriges, schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen sei.

SPÖ lässt Entwurf prüfen

Dass das Versammlungsrecht überhaupt geändert wird, hängt nach Angaben des Innenministeriums auch mit der stark gestiegenen Zahl an Demonstrationen zusammen. Waren 2011 nur knapp 8.300 Demos angezeigt, stieg die Zahl seither deutlich an und erreichte 2015 einen Wert von 16.202. Die Daten für 2016 liegen noch nicht vor.

Ob der Entwurf genau so umgesetzt wird, ist für Sobotka offen. Man stehe derzeit am Anfang des Diskussionsprozesses. Im Büro des für Verfassungsfragen zuständigen Ministers Thomas Drozda hieß es am Montag auf Anfrage des STANDARD zu dem Entwurf, der Verfassungsdienst prüfe nun "sehr genau" dessen Grundrechtskonformität. (APA/spri, 6.2.2017)