Polizisten bei der Demo gegen den Akademikerball vergangene Woche in Wien.

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Salzburg/Wien – Der Entwurf zum neuen Versammlungsrecht von Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) liegt seit Montagnachmittag dem Koalitionspartner vor. Seine Grundrechtskonformität werde derzeit "sehr genau" geprüft, hieß es aus dem Büro des für Verfassungsfragen zuständigen Ministers Thomas Drozda (SPÖ).

Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk vom Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien, der sich auf Anfrage des STANDARD den Entwurf ansah, sieht darin einige Verfassungswidrigkeiten. "Ich sehe einen bestürzenden Versuch, mit verfassungsrechtlich fragwürdigen bis eindeutig verfassungswidrigen Maßnahmen der Polizei Instrumente in die Hand zu geben, die sie eigentlich nicht braucht, da sie ihr bereits zur Verfügung stehen – nur nicht in dieser brutalen Form", sagt der Jurist.

Harte Kritik an Versammlungsverbot

Den "größten Brocken" sieht Funk in jenem Paragrafen, der das "Verbot von Versammlungen" regelt. Am meisten stößt er sich da an der Bestimmung, dass der Innenminister per Verordnung an bestimmten Plätzen oder in Straßenzügen für eine gewisse Zeit Versammlungen verbieten können soll. "Das ist völlig verfassungswidrig", sagt Funk.

Begründet ist die Schaffung dieser Verbotsmöglichkeit für den Minister damit, einen "übermäßigen Eingriff in berechtigte Interessen anderer" hintanzuhalten. Ein solches Demoverbot soll auf maximal 876 Stunden pro Jahr und Platz beschränkt sein. Dies schaffe aber laut Funk "einen Grund für eine generelle Unzulässigkeit" von Versammlungen "ohne weitere Abwägung". Eine gründliche Abwägung sähe die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) aber vor. Schon jetzt müssten laut Gesetz auch die Interessen etwa von Geschäftsleuten mit abgewägt werden.

Andere Verfassungsrechtler folgen hier nicht Funks Meinung: So hat etwa Bernhard Raschauer (ebenfalls Uni Wien) festgehalten, dass es bereits räumliche Einschränkungen für Demos gebe und sollten aus den in der EMRK genannten Gründen (wie Aufrechterhaltung der Ordnung oder Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) weitere erfolgen, bestünden dagegen "keine prinzipiellen Bedenken".

Nicht gleichzeitig

Im gleichen Paragrafen wäre auch geregelt, dass Versammlungen verboten sind, wenn sie "am selben Ort und zur selben Zeit sowie im Schutzbereich einer anderen Versammlung" stattfänden. "Das berücksichtigt nicht, dass es gleichgerichtete Versammlungen gleichzeitig geben kann", sagt Funk. Auch das verstoße gegen Menschenrechtsgrundsätze. "Das lässt sich so nicht aufrechterhalten", ist der Verfassungsexperte überzeugt.

Für besonderen Wirbel hatte im Vorfeld Sobotkas Ankündigung gesorgt, dass Versammlungsleiter zivilrechtlich für Sachbeschädigungen bei Demos haften sollen. Der Entwurf sieht nun vor, dass diese – wie schon bisher – für die Einhaltung der Gesetze Sorge zu tragen haben und Versammlungen aufzulösen haben, "wenn seinen Anordnungen nicht Folge geleistet wird".

Leiter kann bestimmt werden

Allerdings sind höhere Geldstrafen (bis zu 10.000 Euro) vorgesehen – für Leiter einer Versammlung, die ihren Pflichten nicht nachkommen, wenn es "zu mehreren gerichtlich strafbaren Handlungen oder einer mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung gekommen ist". Ist kein Leiter vor Ort, sollen Personen, die "zur gemeinsamen Willensbildung beitragen" oder "durch Voranschreiten die Route bestimmen", Leiterpflichten tragen.

Funk sieht hier viele offene Fragen: zum Beispiel, was geschehe, wenn es am anderen Ende einer Demonstration zu Sachbeschädigungen komme, und wann jemand "die Route bestimme", also dann als Leiter fungieren müsse. Funk beurteilt dies als Versuch des Innenressorts, polizeiliche Aufgaben und Verantwortung abzuwälzen. Aufgrund der hohen Geldstrafen sei damit zu rechnen, dass die Abhaltung einer Demo sehr erschwert werde. "Keine Versicherung ist bereit, dafür die Haftung zu übernehmen", sagt der Jurist.

Salzburger ÖVP für Verbotszonen

Unterstützung für Sobotkas demofreien Zonenplan kommt aber beispielsweise aus der Salzburger ÖVP. So begrüßt Vizebürgermeister Harald Preuner den Vorstoß: In der Salzburger Innenstadt seien Demos für die Kaufleute geschäftsschädigend. Außerdem würden viele Demonstrationen ohnehin nur "kommerziellen" Interessen dienen. Die veranstaltenden Vereine und Initiativen versuchten so, Spenden zu keilen und Mitglieder zu werben.

Knapper Kommentar der grünen Bürgerliste: Die Wiederaufbereitungsanlage im bayerischen Wackersdorf nahe der Salzburger Grenze wäre ohne die zahllosen Kundgebungen nicht zu verhindern gewesen; die heute so hochgelobten Salzburger Stadtlandschaften wären ohne die Bürgerproteste gnadenlos zubetoniert worden.

Nach Angaben des Innenministeriums waren im Jahr 2015 rund 16.200 Demonstrationen und Kundgebungen angemeldet worden, 2011 waren es noch knapp 8.300 gewesen. Funk dazu: "Das bekommt man nicht mit den vorgeschlagenen Regeln in den Griff, jedenfalls nicht in verfassungskonformer Weise."

SOS Mitmensch teilte am Dienstag mit, dass bisher mehr als 15.000 Menschen eine Petition gegen Sobotkas Gesetzesplan unterzeichnet hätten. (Gudrun Springer, Thomas Neuhold, 7.2.2017)