Kremlchef wäre er ohnehin nicht geworden. Zumindest räumen ihm russische Soziologen wenig Chancen ein, Amtsinhaber Wladimir Putin bei der Wahl 2018 vom Thron zu stürzen. Den Versuch wollte Alexej Nawalny trotzdem wagen, immerhin hatte er auch 2013 bei ähnlich schlechten Prognosen Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin mit seinem Ergebnis gehörig ins Schwitzen gebracht.

Ein Gericht in der Provinzstadt Kirow hat dem Plan zumindest vorläufig einen Riegel vorgeschoben: Das Urteil wegen Veruntreuung macht eine Kandidatur in zwei Jahren unmöglich. Bemerkenswert ist, wie wenig Mühe sich der Richter gab, dem Prozess einen Anstrich von Rechtsstaatlichkeit zu verleihen: Bei der Urteilsverkündung verlas er seitenweise das Urteil aus dem Originalprozess vor vier Jahren; eine demonstrative Geste der Geringschätzung gegenüber dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der den damaligen Prozess als unfair und das Urteil als willkürlich kritisiert hatte.

Aufgeben will Nawalny deswegen nicht. Das entspricht nicht dem Charakter des inzwischen 40-jährigen Juristen, der sich als Blogger und erklärter Aufdecker von Korruptionsfällen seit Jahren einen Namen, aber auch namhafte Gegner in Russland gemacht hat. Zu den "Opfern" seiner Enthüllungen zählten unter anderem Verteidigungsminister Sergej Schoigu, Generalstaatsanwalt Juri Tschaika und Ex-Eisenbahnchef Wladimir Jakunin. Nur Letzterer verlor – nach einer gebührenden Wartefrist – später tatsächlich seinen Posten.

Endgültig zog der zweifache Vater 2011/12 den Ärger des Kremls auf sich, als er sich zu einem der Anführer der damaligen Bürgerproteste gegen mutmaßliche Manipulationen bei der Dumawahl aufschwang. Jahrelang weigerte sich Putin, auf Nawalny angesprochen, den Oppositionellen beim Namen zu nennen.

Der Kreml fürchte weder die Teilnahme Nawalnys bei der Präsidentenwahl 2018 noch dessen Fehlen, spielte Putins Sprecher Dmitri Peskow die Bedeutung Nawalnys für die russische Führung nun herunter. Dabei ist für den Kreml Nawalnys gefährlichste Seite zugleich sein größter Kritikpunkt im Westen: Der Oppositionelle hat in der Vergangenheit auch immer wieder mit populistischen und nationalistischen Losungen bei der Bevölkerung gepunktet. Eine Einigung der demokratischen Kräfte ist in Russland hingegen auch mit Nawalny bisher gescheitert. (André Ballin, 8.2.2017)