ProSiebenSat.1Puls 4 und ATV im TV-Markt.

Foto: ATV/Kainerstorfer

Wien – Auf der Internetseite der BWB ist eine als "nicht vertraulich" deklarierte Fassung der vorgeschlagenen Auflagen für den Zusammenschluss von ProSiebenSat1Puls4 und ATV zugänglich. Sie sollen fünf Jahre ab Freigabe des Zusammenschlusses gelten.

Die Auflagen verlangen etwa einen eigenen Chefredakteur und Geschäftsführer (der Manager darf aber zu einem als vertraulich klassifizierten Höchstprozentsatz seiner Arbeitszeit auch für andere Firmen der ProSieben-Gruppe arbeiten); eigenes Budget, Personal und Redaktionsstatut, eigenständige Programmierung – und weiterhin Eigenproduktionen wie "Bauer sucht Frau" und "Pfusch am Bau". Den Namen ATV und Programmplatz darf ProSieben nicht verändern – Zusätze zu ATV sind aber möglich. ATV muss weiterhin in Österreich seinen Unternehmenssitz haben – juristisch und faktisch.

Alle Auflagen gelten ausdrücklich für ATV und nicht für Schwestersender ATV 2. Ein von ATV und ProSieben unabhängiger* "Treuhänder" soll die Einhaltung der Auflagen überwachen und den Behörden darüber berichten.

Bedingung für ATV-Kauf: "Bauer sucht Frau" muss bleiben. Im Bild: Kandidat und Kandidatinnen Martin mit Jacqueline und Judith.
Foto: ATV/Kainerstorfer

ProSiebenSat1Puls4 und ATV haben die Auflagen vorgeschlagen und mit der Wettbewerbsbehörde vorbesprochenen. Die Behörde hat vorige Woche erklärt, dass sie sich unter diesen Bedingungen ein Okay für den Zusammenschluss vorstellen kann, ohne ein Kartellgericht zu befassen – was ein längeres Verfahren mit ungewisserem Ausgang bedeutete.

Änderungsklausel, wenn Auflagen Sanierung stören

Alle Auflagen unterliegen freilich laut Entwurf bemerkenswerten "Abänderungsklauseln": Wenn die Bedingungen für den Zusammenschluss "einer Sanierung von ATV abträglich sind", dann sind diese Verpflichtungszusagen laut vorgeschlagenem Entwurf "jedenfalls zu ändern, aufzuheben oder einzuschränken". Befürwortet der Treuhänder* die Änderungswünsche, können Wettbewerbsbehörde, Bundeskartellanwalt (und Medienbehörde) sie "nur aus wichtigen Gründen" ablehnen.

Änderungen sind auch möglich, wenn die Übernahme trotz Auflagen "zu einer Störung der österreichischen Medienvielfalt" führt. Ebenso, wenn sich "wesentliche Umstände" in Markt oder Kostenstrukturen von ATV ändern.

Info-Auflagen für ProSieben-Deal

"Redaktionelle Freiheit und Unabhängigkeit der Redaktion bestehen fort", heißt es in den geplanten Auflagen. ATV entscheide eigenständig auf Basis eines eigenen Budgets über Programmgestaltung im Bereich Nachrichten und Information. "Rohmaterial" kann die Redaktion von ProSiebenSat1Puls4 übernehmen. Gemeinsame technische Abwicklung soll erlaubt sein.

Mindest-Minutenzahl für Nachrichten

Die geplanten Auflagen schreiben auch eine Mindest-Minutenzahl an täglichen Nachrichten ("ATV aktuell") vor – die allerdings als "vertraulich" in dem Papier nicht veröffentlicht wird. Auch eine Mindestzahl von Mitarbeitern und ein Mindestbudget für Nachrichten auf ATV wird vorgeschrieben, aber als vertraulich nicht veröffentlicht.

Nachrichten von ProSiebenSat1Puls4 dürften nicht statt "ATV aktuell" auf ATV durchgeschaltet werden – zusätzlich aber nach dem Auflagentext offenbar doch.

Die Auflagen sehen auch "anlassbezogen" ein "politisches Informationsformat in unregelmäßigen Abständen" auf ATV vor.

Abstimmung mit Puls 4

Für "österreichspezifische Eigenproduktionen" sehen die Auflagen ein Mindestbudget zu – das als vertraulich klassifiziert wird. Eigenständige Programmgestaltung schreiben sie vor – eingeschränkt allerdings ausdrücklich im Sinne einer "bewussten Komplementärprogrammierung" von ATV und Puls 4 für unterschiedliche Zielgruppen und Genres. Dafür dürften "die Geschäftsführer und/oder Chefredakteure von ATV und Puls 4 die Programmgestaltung besprechen und sich im Zuge der Programmproduktion im Sinne der Erzielung möglichst hoher Synergien bestmöglich unterstützen". Vermutlich auch einander.

Bedingung für ATV-Deal: "Wachzimmer Ottakring", im Bild die Beamten Karin und Christian.
Foto: ATV

"Wesentliche Programmänderungen sind nicht geplant. Ein Schwerpunkt soll weiterhin auf österreichspezifische Eigenproduktionen gelegt werden, um das Senderprofil in diese Richtung weiter zu schärfen", heißt es in den vorgeschlagenen Auflagen. Die erfolgreichen österreichspezifischen Eigenproduktionen wie "Bauer sucht Frau", "Pfusch am Bau" oder "Wachzimmer Ottakring" "werden fortgeführt" oder bei "nicht ausreichender Publikumsakzeptanz" durch neue, österreichspezifische Eigenproduktionen im selben Ausmaß mit vergleichbarem Schwerpunkt (Format, Dauer, Aufwand) ersetzt.

Zwei Österreich-Hauptabende

Die vorgeschlagenen Auflagen sehen zwei österreichspezifische Hauptabende mit Erstausstrahlungen und "weiteren Auswertungen von Produktionen" vor. In einem – als vertraulich klassifizierten – Zeitraum im Hauptabend würden im "Jahresdurchschnitt überwiegend Erstausstrahlungen" gezeigt.

Die ATV-Eigenproduktionen würden weiterhin von ATV produziert oder von ATV in Auftrag gegeben. Die Erstausstrahlung der jeweiligen Folge der Eigenproduktionen erfolgt auf ATV und kann erst nach einem vorgegebenen, aber als vertraulich klassifizierten Zeitraum nach der Erstausstrahlung auch auf einem anderen Sender der ProSieben-Gruppe laufen.

Eigenständig buchbar

Die Auflagen zum Werbemarkt sehen lediglich vor, dass "ATV weiterhin eigenständig gebucht werden kann".

Konkurrenz am Wort

Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) hat die Anmeldung der ATV-Übernahme durch ProSiebenSat1Puls4 veröffentlicht. Damit beginnt das formelle Verfahren über den Zusammenschluss der beiden Privatsendergruppen. Konkurrenten und andere Betroffene können sich binnen 14 Tagen zum Deal und zu den Auflagen äußern. Die Behörde entscheidet dann in vier Wochen (auf Antrag erstreckbar auf sechs), ob sie den Deal vor ein Kartellgericht zur vertieften Prüfung bringt. Derzeit ist das nicht geplant.

ProSiebenSat1Puls4 und ATV-Eigentümer Herbert Kloiber (Tele München Gruppe) haben den Kaufvertrag in der Nacht auf Dienstag unterschrieben. Geschätzter Preis: 20 bis 25 Millionen Euro.

Nach den Kriterien des Kartellrechts beherrscht ProSiebenSat1 schon jetzt – ohne ATV – den Werbemarkt im Fernsehen. 37 Prozent des Bruttowerbevolumens im österreichischen Fernsehen laufen bei ProSieben, Sat1, Puls4, Kabel1 oder Sixx. ATV und ATV 2 kommen auf weitere sechs Prozent. Im Zuschauermarkt reicht ProSiebenSat1Puls4 nur beim jungen Publikum bis 29 Jahre klar in die die kartellrechtliche Problemzone von 30 Prozent. In der Werbezielgruppe kommt sie mit ATV und ATV 2 auf gemeinsam rund 30 Prozent. (red, 9.2.2017)