Finanzkonzerne sollen leichter in Gemeinnützige investieren können. Im Sektor ist man äußerst skeptisch.

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Wien – Auf einer einzigen Seite widmet sich das von SPÖ und ÖVP Ende Jänner neu beschlossene Arbeitsprogramm dem Thema Wohnbau. Zwei der drei dort genannten Punkte, die Baulandmobilisierung ("Schaffung von Vorbehaltsflächen für förderbaren Wohnbau bei Umwidmungen von Grundstücken der öffentlichen Hand") und die Ankurbelung von Investitionen von Vorsorgekassen und Pensionsfonds in den geförderten Wohnbau, sind vom Gemeinnützigen-Sektor ohnehin lange gehegte Wünsche und waren auch davor teilweise schon in Umsetzung begriffen.

Der dritte Punkt aber, mit dem Titel "Zusätzliche Mobilisierung privaten Kapitals", hat es in sich. "Um institutionellen Anlegern Investitionen in Anteile gemeinnütziger Wohnbauträger zu erlauben, soll der künftige Verkaufspreis dieser Anteile über dem Kaufpreis liegen können, ohne dass es zu höheren Gewinnausschüttungen der Wohnbauträger kommen muss", so die nähere Erläuterung dazu.

Schon im "Plan A", von Bundeskanzler Christian Kern wenige Wochen zuvor präsentiert, findet sich diese Idee – zwischen zahlreichen anderen Vorschlägen, die allesamt das Mietrecht betreffen und die Handschrift der SP-nahen Mietervereinigung erkennen lassen. Aus dem "Plan A" fanden nun aber nur die obengenannten drei Punkte Eingang ins neue Arbeitsprogramm der Regierung.

GBV-Vorstand dagegen

Die geplanten Erleichterungen für die Finanzindustrie lassen in der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft die Wogen hochgehen. "Dieser Satz hat in seiner Konsequenz existenzielle Folgen, die die Eckpfeiler der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft letztendlich torpedieren", sagt Herwig Pernsteiner, Chef der Innviertler Genossenschaft ISG und Entsandter der bürgerlichen Wohnbauvereinigungen in den Vorstand des Verbands gemeinnütziger Bauvereinigungen (GBV). Er spricht sich "ganz klar" gegen diese Änderung aus, und das habe mittlerweile auch der gesamte GBV-Vorstand – nach einer ersten, eher schaumgebremst formulierten Stellungnahme Ende Jänner – einstimmig getan, wie auch Verbandsdirektor Alois Feichtinger dem Standard bestätigt. Formellen Beschluss dazu gebe es aber keinen.

Was die Branche so alarmiert, ist das mit dem Vorschlag einhergehende Rütteln am sogenannten Vermögensbindungsprinzip (siehe "Wissen") des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes (WGG). Es bewirkt, dass Eigentümer einer gemeinnützigen Bauvereinigung weder im laufenden Betrieb noch durch einen (Anteils-)Verkauf Gewinne abschöpfen können. Sie bleiben stets auf ihre eingezahlte Einlage, also ihren Anteil am Stammkapital, beschränkt – auch im Falle ihres Ausscheidens.

Eigenkapital statt Stammkapital

Das soll sich mit dem neuen Entwurf ändern. Konkret ist offenbar geplant, im Paragrafen 10a des WGG die Möglichkeit zu schaffen, dass der Preis der Anteile anhand des anteiligen gesamten Eigenkapitals der jeweiligen Bauvereinigung festzulegen ist. Für Finanzkonzerne, von denen heute schon einige im sozialen Wohnbau engagiert sind, brächte das unmittelbar – und noch ohne jede Transaktion – starke Verbesserungen. Ihre Beteiligungen könnten sofort um ein Vielfaches höher bewertet werden.

Oder, ganz konkret: um das Siebzehnfache, im Schnitt. Denn vom gesamten Eigenkapital der gemeinnützigen Bauvereinigungen in Höhe von aktuell rund 11,3 Milliarden Euro seien nur sechs Prozent oder rund 670 Millionen Euro ursprünglich bar einbezahlt worden, heißt es in einer GBV-Stellungnahme. Nach derzeitiger Rechtslage wären also sämtliche Anteile an gemeinnützigen Bauvereinigungen nur zu diesen 670 Millionen handelbar. Entsprechend niedrig bewertet müssen Banken und Versicherungen ihre Anteile in den Bilanzen ausweisen.

Wird die Bewertung nach dem Anteil am Eigenkapital ermöglicht, schnellen die Buchwerte in die Höhe. Damit allein fließt aber dem Sektor noch nicht mehr Geld zu, kritisieren Gegner des Vorhabens. Noch dazu, weil an der gesetzlich geregelten Gewinnausschüttungsbeschränkung im WGG – 3,5 Prozent des eingezahlten Grundkapitals – offenbar nichts geändert werden soll. "Warum sollte eine Firma sich nun zu diesen Bedingungen beteiligen?", fragt Pernsteiner. "Da müssen wohl andere Absichten unterstellt werden."

Druck auf Dividendenbeschränkung

Genau deshalb ist etwa auch die Grünen-Bautensprecherin Gabriela Moser wegen der neuen Pläne alarmiert. Sie äußert ganz offen den Verdacht, "dass durch diese Änderung SPÖ und ÖVP ihre Anteile an Gemeinnützigen (die SPÖ ist beispielsweise indirekt an der Sozialbau AG beteiligt, Anm.) zur Sanierung ihrer Parteifinanzen zum Marktwert verkaufen wollen" . Zudem werde durch eine solche Änderung auch der Druck steigen, die Dividendenbeschränkung aufzuweichen, wird befürchtet.

Finanzierungsprobleme gebe es im Wohnbau im Übrigen auch gar nicht, sagt Moser. Das weitaus größte Problem seien bekanntermaßen die hohen Grundpreise und die teuren Normen.

Rätselraten um Entwurf

Feichtinger betont, dass man gegen ein "grundsätzliches Nachdenken" darüber, wie man frisches Geld in den Sektor bekommt, natürlich nichts habe. Die Art und Weise, wie die neuen Pläne bekannt wurden, stößt aber vielen im Gemeinnützigen-Verband sauer auf. Die drei "Säulen" des heimischen Systems (siehe "Wissen") dürfe man jedenfalls nicht gefährden, sagt Feichtinger.

Höchst interessant ist nicht zuletzt die Frage, woher der Entwurf für die Regierungsvorlage überhaupt stammt. Aus dem zuständigen Wirtschaftsministerium, wo in Sachen WGG alle Fäden zusammenlaufen, kommt er jedenfalls nicht. Gemunkelt wird, dass ein Rechtsanwalt eines Finanzkonzerns als Autor fungiert haben soll. Über Lobbyisten soll der Entwurf dann sozusagen "von außerhalb" an die Regierungsspitze herangetragen worden sein, vermutet man. (Martin Putschögl, 11.2.2017)