So prominent der Ort ist, gelegen zwischen Bundeskanzleramt und Präsidentschaftskanzlei, so verwunderlich ist es in der Rückschau, wie lange der Kampf um dieses Denkmal für die Opfer der NS-Militärjustiz gedauert hat. Das überdimensionale "X" aus Beton, das sich an diesem Ort befindet, steht für ein neues Geschichtsbild. Von den historisch falschen, geifernden "Kameradenmörder"-Rufen ist – außer bei hartnäckig Gestrigen – nichts übrig geblieben. "Denkmäler informieren weniger über die Vergangenheit, der sie gelten, als über das Geschichtsverständnis derer, die sie errichten", schreibt Jörg Echternkamp, wissenschaftlicher Direktor des Zentrums für Militärgeschichte der Bundeswehr in Potsdam, in seinem Beitrag über den Wiener Heldenplatz, der sich im Buch Verliehen für die Flucht vor den Fahnen findet.

Es ist ein Sammelband, der auf mehreren Ebenen funktioniert. Da sind die Beiträge, die sich mit dem künstlerischen Gedanken des Denkmals auseinandersetzen. Dann finden sich die Reden von der Eröffnungsfeier am 24. Oktober 2014 als zeithistorisch Verankerung. Man kann das Buch aber auch als Leitfaden lesen. Wie aus einer Seminararbeit von Studierenden ein "Personenkomitee für die Opfer der Militärjustiz" entstand, wie aus einer kleinen Initiative für die letzten noch lebenden Deserteure ein Staatsakt wurde. Nicht vergessen wurde auch, den betroffenen Menschen Platz für ihre Lebensgeschichte zu geben. Es sind sehr persönliche Erinnerungen über den Vater, den Großvater, die desertierten oder als Wehrkraftzersetzer verfolgt wurden.

Eleonore Schönborn, Mutter des Wiener Erzbischofs Christoph, schreibt über ihren Ehemann Hugo Schönborn: "Die Geschichte seiner Desertion hat er mir ein einziges Mal erzählt, und zwar im Jahre 1946 (...). Seine Verwandtschaft stand ihm zum Teil sehr ablehnend gegenüber, weil die alten Herrschaften noch so erzogen waren, dass man nicht desertiert, egal, wer der Kriegsherr ist. Mein Mann hat immer behauptet, er habe nie auf die deutsche Armee geschworen." Am Montag hat das Personenkomitee, Initiator dieses Sammelbandes, für seine historische Aufarbeitung den Lupac-Demokratiepreis 2016 im Parlament bekommen. (Peter Mayr, 13.2.2017)