Ein Klischee mit Klischees schlagen: Gayle Tufts bezieht als Freiheitsstatue gegen US-Präsident Donald Trump Position.

Foto: Robert Recker

Wien – Ihr "Denglisch" trägt sie wie eine Trophäe vor sich her. Die Sprachmischung aus Deutsch und amerikanischen Einsprengseln hat Gayle Tufts nie abgelegt. Warum auch? Als schnoddrig-laute Entertainerin und USA-Erklärerin mischt sie damit seit 25 Jahren die deutsche Comedy-Szene auf.

"Ich bin nach der Reagan-Ära nach Deutschland gekommen", sagt Tufts im Gespräch mit dem STANDARD. "Schon damals dachte ich, Amerika sei hoffnungslos konservativ. In Deutschland habe ich ganz andere Tugenden kennengelernt: eine Nacht drüber schlafen, noch einmal überlegen. Das fehlt in den USA. Wir sind immer ,in the moment', wahnsinnig schnell, immer nach vorn. Jetzt auch beim Rechtspopulismus."

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Die Wahl Donald Trumps habe sie wie ein Blitzschlag getroffen. "Im ersten Moment war ich schockiert, aber dann hat es im Radio Schubert gespielt – wunderbar! Tröstend! Und dann habe ich Bruce Springsteen aufgelegt und mir gesagt: ,Nein, Trump, uns kannst du nicht unterkriegen!'"

Mit "uns" meint Gayle Tufts das liberale Umfeld, das die 56-Jährige kennenlernte, als sie vom ländlichen Massachusetts zuerst nach New York und später nach Berlin ging. Die Welt der kleinen Bühnen, Tanzkompanien und Stand-up-Clubs, aus der Tufts kommt, sieht sie durch Trump gefährdet. Das im europäischen Vergleich geradezu winzige Kulturbudget werde von der Regierung nun völlig zusammengestrichen. "Das trifft Bibliotheken, die Wissenschaften, öffentlich finanzierte Radios. Aber auch die großen Museen leiden. Sie leben von Spenden, und Trump will die Gönner dieser Horte des Liberalismus mittels Steuerpolitik bestrafen."

"So wichtig wie Journalisten"

Von Hollywood bis in die prekarisierte Undergroundszene hinein formiert sich die Künstlerschaft als Speerspitze gegen die neue Regierung. "Vielleicht ist das jetzt ein Weckruf für die Babyboomergeneration, die es immer gut gehabt hat und jetzt zum ersten mal kämpfen muss." Früher habe Tufts bei ihren Heimatbesuchen zwei Musicals angesehen, "heute gehe ich auf zwei Demos".

Und die Satire? Ist Trump für sie ein Segen? "Ich glaube, niemand von uns ist glücklich über so viele Steilvorlagen", meint Tufts. Als Kabarettist müsse man jetzt sehr überlegt handeln, einfach nur die Fakten darlegen, "die sind satirisch genug". Aber: auch Hoffnung machen, "das andere Amerika zeigen, ein Ventil für die Wut bieten. Und: informieren. In den USA sind Comedians für viele so wichtig wie Journalisten."

Bringt jedes neue Medium auch seinen eigenen Politikertypus hervor? "Ja, bei Kennedy war es TV, bei Trump ist es Twitter. Dort zündet er Nebelgranaten, um von den wirklich wichtigen Dingen abzulenken." Man dürfe auch niemals vergessen, worauf sein Erfolg eigentlich fußt: "Er ist ein Reality-TV-Star. Und Henry Rollins, Sänger der Band Black Flag, hat vor der Wahl ganz richtig gesagt: ,Vorsicht! Trump ist der Punk der amerikanischen Politik.'"

Brücke über den Atlantik

Kann Satire Gräben überwinden? "Oft kann man nur dastehen und sagen: ,Hier ist die Spalte'", meint Tufts. "Es gibt sie heute zwischen Arm und Reich, liberal und konservativ, schwarz und weiß, männlich und weiblich, das ist viel." Tufts will zumindest eine Brücke über den Atlantik schlagen. Am neuen Programm – Superwoman entstand bereits vor Trumps Sieg – habe sie dafür nicht viel ändern müssen. "Es hat aber eine andere Bedeutung bekommen, wenn ich etwa als Freiheitsstatue posiere."

Ihre Botschaften sendet Tufts nach beiden Seiten des Atlantiks: "Wir müssen weg von den Bildschirmen und miteinander reden, lachen, tanzen. Für Individualisten heißt das: Get off von Facebook und lies ein Buch!" (Stefan Weiss, 16.2.2017)