Das Künstlerkollektiv organisierte auch den "Österreichertest".

"Ausländer" bekamen 2010 diesen Button.

"Österreicher" wurden mit diesem Badge "gekennzeichnet".

Wien – Das österreichische Traditionsunternehmen Happy Homes hat bei der Messe für Bauen & Energie am Wiener Messegelände heuer erstmals einen Stand: Beworben wird Nato-Draht als "innovative Sicherheitslösung für das Eigenheim". Den mit Klingen versehenen militärischen Draht gibt es etwa als günstiges Modell "Schengen" oder in der kostspieligeren handvergoldeten Variante (Modell "Secession"). Fünf Meter kosten je nach Modell zwischen 49,90 und 249,90 Euro.

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Ein Paar mittleren Alters nähert sich dem Stand: "Wir haben gehört, das ist verboten." – "Nein, auf dem Eigengrund nicht", antwortet Peter Stahlglatt, Enkelsohn des Gründers und Chef von Happy Homes. Ein Verkaufsgespräch beginnt: "Gibt's das in verschiedenen Stärken?", fragt das Paar. – "Nein, aber der Draht kann unter Starkstrom gesetzt werden. Wenn man dann draufgreift, kann man sterben." – "Oh, das wäre schade", meint der Mann. "Selber schuld", fügt die Frau hinzu. Ein anderer Messebesucher ist nicht überzeugt von der Effizienz des Drahts: "Ein Hund ist besser." Ein anderer Herr sieht es ähnlich: Er findet "eine Glock besser".

"DNA bleibt hängen"

Ein Interessierter erzählt Stahlglatt, er habe seinen derzeitigen Maschendrahtzaun so aufgerüstet, dass ein etwaiger Eindringling sich verletzen würde und so "die DNA hängen bleibt". Stahlglatt schlägt auch ihm vor, den Zaun unter Hochspannung zu setzen. "Nein, das will ich nicht!", ruft der Mann aus. "Da könnte sich ein Tier was tun."

Der Stand der Firma Happy Homes bei der Bauen & Energie Messe in Wien.
Antonia Renner

Die Fragen und Anmerkungen der Messebesucher sind ernst gemeint – Stahlglatts Antworten nicht. Er heißt eigentlich Peter Tappler und gehört dem seit 2002 bestehenden Künstlerkollektiv "Stahlglatt & Blumeenweich" an. Der Nato-Draht-Stand ist eine satirische Performance im öffentlichen Raum, ein "unsichtbares Theater: Wir spielen Theater, ohne dass die Zuschauer es wissen. Sie werden Teil des Stücks", erklärt Tappler dem STANDARD.

Experiment

Bei dem aktuellen Stück gehe es um "überzogene Sicherheitsvorstellungen". Dabei verfolge man keinen "pädagogischen Ansatz", man wolle niemanden ändern, sondern experimentieren. Man wolle "testen, ob das fiktive Produkt Anklang findet". Der Eindruck in den ersten Stunden der Messe, die am Donnerstagmorgen eröffnet wurde? "Es wird durchaus angenommen. Die Rückmeldungen sind erschreckend und interessant. Niemand nimmt sich ein Blatt vor den Mund", sagt Tappler."

Vergoldeter Nato-Draht für das Eigenheim.
Antonia Renner

"Es ist ein offener Ausgang. Wir wissen nicht, was passieren wird", sagt Ingrid Mückstein, ebenfalls Teil des Künstlerkollektivs. Die Frage sei, "wie sehr die Leute irritiert sind". Denn die aktuelle Sicherheitsdebatte sei "verdreht. Es geht immer mehr darum das Eigene zu schützen, nicht darum, im Kollektiv zu denken", sagt Mückstein.

Aufwendig inszenierte Satire

Die Satire ist aufwendig inszeniert. Die verschiedenen Modelle sind ausgestellt. Ein Restaurator demonstriert vor Ort, wie der Nato-Draht mit Blattgold von Hand veredelt wird. Auf einem Bildschirm wird ein professionelles Imagevideo abgespielt: "Effektiver Schutz gegen Einbrecher, Tiere, Migranten", heißt es dort etwa. Die Produktbroschüre lockt unter anderem mit einem "Rabatt für österreichische Staatsbürger". Mehrere Verkaufsberater stehen für Kundenanfragen zur Verfügung. Happy Homes ist auch im Internet mit einer eigenen Webseite vertreten. Die Mitglieder von "Stahlglatt & Blumeenweich" arbeiten ehrenamtlich oder finanzieren die Performance aus der eigenen Tasche: "Weil uns das wichtig ist", sagt Tappler.

Imagevideo der fiktiven Firma Happy Homes.
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Die professionell anmutende Inszenierung ist wohl auch der Grund dafür, dass kaum jemand Satire hinter dem Stand für Sicherheitslösungen vermutet. Einer der wenigen ist ein Künstler, der selbst eine Performance mit Nato-Draht plant: "Das Gold hat mich stutzig gemacht, das ist übertrieben", sagt er zum STANDARD. Jemand fragt, ob das "ein Gag" sei. Ein anderer sieht die Produktpalette als "Provokation". Wer sich wundert, wird von Tappler über den Hintergrund informiert.

"Etwas für den Innenminister"

Alle paar Minuten bleiben Messebesucher stehen und zeigen ehrliches Interesse. Einige wiederum gehen kopfschüttelnd vorbei. "Das wär' was für den Innenminister", kommentiert ein Mann. Manche machen einen Bogen um den Stand: "Körpersprachlich wirkt es, als wollten sie gar nicht so genau wissen, was das hier ist", meint Tappler.

Nato-Draht wird von Hand vergoldet.
Antonia Renner

Die angebotenen Produkte sind im Übrigen nicht rein fiktiv. Bestellungen werden angenommen und von dem Kollektiv bei tatsächlich existierenden Zaunfirmen in Auftrag gegeben: "Wir ziehen das durch. Die Leute kriegen das. Ob das rechtlich in Ordnung ist, wissen wir nicht."

DNA-Test für "echte" Österreicher

Dieselbe Künstlertruppe zeichnet auch für den "Österreichertest" verantwortlich: In den Jahren 2005 und 2010 boten "Stahlglatt & Blumeenweich" in Fußgängerzonen in Wien Persönlichkeits- und DNA-Tests an, bei denen festgestellt werden sollte, ob und zu wie viel Prozent die Probanden "österreichisch" waren. Ein Mediziner vermaß die Köpfe teilnehmender Passanten mit einem anthropometrischen Kopfmesswerkzeug, wie es die Nationalsozialisten zur Feststellung "rassenfremder" Merkmale verwendeten. Je nachdem, ob die Probanden den Test "bestanden" oder nicht, bekamen sie eine "Österreicher"-Urkunde oder einen Button mit Aufschriften wie "Tourist: Ich bin willkommen!" oder "Asylant: Danke, dass ich geduldet werde!" (Text: Christa Minkin, Video: Maria von Usslar, 17.2.2017)