Der Verdienst in der 24-Stunden-Pflege ist sehr gering.

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Wien – Der ÖVP-Vorstoß, die Familienbeihilfe für im EU-Ausland lebende Kinder zu beschneiden, hat schwerwiegende Auswirkungen auf Pflegerinnen aus dem Ausland. In Österreich droht ein Pflegeproblem, warnen Kritiker wie der Geschäftsführer der Wohlfahrtsorganisation Volkshilfe, Erich Fenninger. Mit Ausdrücken wie "Notstand" müsse man vorsichtig sein, so Fenninger am Mittwoch im Ö1-"Morgenjournal", aber wenn sich Frauen wegen der Kürzung der Familienbeihilfe gegen die Arbeit entscheiden, werde es zu ernsthaften Problemen im Pflegebereich kommen.

Fenninger schätzt, dass 50 Prozent der ausländischen Pflegerinnen Familienbeihilfe beziehen. Er verweist darauf, dass sie das Geld als Kompensation für den extrem niedrigen Lohn in der 24-Stunden-Pflege betrachten würden. Die Familienbeihilfe sei ein indirekter Bestandteil der Bezahlung. Würde der Ausfall durch einen höheren Lohn kompensiert, wäre das eine Möglichkeit, "aber das ist derzeit nicht in Sicht."

Keine heimischen Arbeitskräfte

Es gehe um eine Gruppe, die schon jetzt benachteiligt sei: "Niemand in Österreich macht diese harte, umfangreiche Arbeit um dieses Geld." Schrumpft der Verdienst, werde es schwieriger, ausländische Pflegerinnen zu motivieren, nach Österreich zu kommen.

Die Familienbeihilfe sei bei der gesetzlichen Neuregelung der Familienbetreuung bereits mitgedacht worden. Damals habe man durch die Einstufung der Personenbetreuung als freies Gewerbe die illegale Pflege legalisiert. Die Folge sei, dass die Bezahlung sehr gering sei. Österreicherinnen und Österreicher, die auf die 24-Stunden-Betreuung angewiesen seien, würden daher praktisch ausschließlich von ausländischen Kräften gepflegt.

Generell warnte Fenninger vor einer "Vertrumpung" Österreichs: "Man identifiziert die Schwächsten in der Gesellschaft, die finanziell Benachteiligten, und versucht, dort etwas wegzunehmen." Gleichzeitig würden in Österreich tätige Konzerne wie Starbucks noch immer kaum Steuern zahlen. "Es ist unerträglich, dass die Ungerechtigkeit so weitergeht."

Caritas befürchtet Anstieg der Kinderarmut

Im Unterschied zu Fenninger glaubt Caritas-Generalsekretär Bernd Wachter nicht an negative Auswirkungen auf die Pflegebranche. "Die Familienbeihilfe ist kein Gehaltsbestandteil, sondern eine Transferleistung", so Wachter am Mittwoch im Gespräch mit der APA. Die Diskussion um die Familienbeihilfe an die Pflege zu koppeln sei daher grundsätzlich falsch. Auch sei nicht zu erwarten, dass Pflegekräfte, die zwischen Heimatland und Österreich pendeln, dann auch die Kinder nach Österreich holen könnten.

Wachter hingegen befürchtet einen Anstieg der Kinderarmut in den Osteuropäischen Ländern durch die Indexierung der Familienbeihilfe. "Wir schaffen damit die Armutsmigranten von morgen", warnte Wachter am Mittwoch im Gespräch mit der APA.

Grundsätzlich müsse auch für Österreich gelten, das EU-Recht einzuhalten, schickte Wachter voraus. Juristische Argumente gebe es aber sowohl für als auch gegen die geplante Anpassung der Familienbeihilfe an die jeweiligen Staaten. Das Vorgehen Österreichs erinnert Wachter an die betroffenen Staaten im Osten Europas selbst, wie er sagte. Es gelte nicht nur die Vorteile in Anspruch zu nehmen, sondern auch die Lasten zu teilen. (red, APA, 22.2.2017)