Momentan spielt BGR fast nur noch Stücke, deren Erschaffer im Jahr 1945 oder früher verstorben sind.

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Mit Jahresanfang hat der öffentlich-rechtliche bulgarische Radiosender BNR sein Musikprogramm radikal umgestaltet. Seit erstem Jänner gibt es fast nur noch Stücke zu hören, deren Macher vor dem Jahr 1946 verstorben sind.

Die Ursache dafür ist allerdings keine geplante Neuorientierung der Programmdirektion, sondern ein Streit mit der Rechteverwertungsorganisation Musicautor. Denn diese wollte für die Lizenz zur Ausstrahlung von 14 Millionen moderner bulgarischer und ausländischer Songs künftig deutlich mehr Geld – doch der öffentliche Rundfunk zog nicht mit, berichtet die "New York Times".

Jazz und Klassik statt Chart-Hits

Statt 500.000 Lew (rund 256.000 Euro) sollte das staatliche Medienunternehmen künftig 1,8 Millionen Lew (etwa 922.000 Euro) überweisen. Eine stolze Preiserhöhung von 360 Prozent, die man schrittweise über die nächsten drei bis vier Jahre durchsetzen wollte. Folglich musste man umsatteln. Laut europäischem Recht verjähren die Rechte an einem Stück erst 70 Jahre nach dem Ableben des Künstlers.

Anstelle aktueller heimischer und internationaler Charthits sendet BNR nun alte Konzertaufnahmen, klassische Musik, Jazz aus den 1920ern und andere Inhalte aus dem eigenen Archiv.

Der ursprünglich befürchtete Hörerschwund ist dadurch aber bisher nicht eingetreten. Im Gegenteil: Laut einer Untersuchung schalten sich mittlerweile 20 Prozent mehr Menschen zu. Eine Sprecherin des Senders berichtet von zahlreichen Anrufern, die sich über das neue Musiksortiment freuen.

Streit geht weiter

Allerdings ist man sich auch im Klaren darüber, dass der Anstieg längst nicht nur der erzwungenen Rückbesinnung auf Vorkriegsmusik geschuldet ist, sondern auch mit dem großen medialen Interesse an dem Streit zu tun hat. Und dieser geht hinter den Kulissen weiter. BNR hat eine Wettbewerbsklage gegen Musicautor eingebracht und bezichtigt den größten Rechteinhaber, seine Marktposition widerrechtlich auszunützen.

Im Gegenzug behauptet der Verwerter wiederum, der Sender hätte mittlerweile hunderte Songs gespielt, für die er eigentlich eine Lizenz benötigt hätte. Man zeigt sich außerdem "überrascht" vom Vorgehen des öffentlichen Rundfunks, der damit eine "zeitnahe Lösung des Disputs" verunmögliche. Denn gerichtliche Auseinandersetzungen könnten sich über Jahre hinziehen. Dazu erklärte man gegenüber Novonite, dass BNR von allen staatlichen Sendern das mit Abstand günstigste Rechtepaket erhalte.

Regierung will vermitteln

Einige bulgarische und ausländische Künstler haben BNR mittlerweile das Recht eingeräumt, einige ihrer Werke bis Jahresende ohne Entgelt wiedergeben zu dürfen. Derweil hat sich auch das Kulturministerium in die Angelegenheit eingebracht und will zwischen Rechteverwerter und Radio vermitteln. (gpi, 22.2.2017)