Die Debatte über die Kürzung der Familienbeihilfe rückt die Arbeitsbedingungen der Pflegerinnen wieder in den Fokus.

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Wien – Zuzana Tanzer hat ein klares Bild vor sich, wie die 24-Stunden-Pflege in Österreich aussieht, wenn Betreuerinnen aus der Slowakei finanzielle Einschnitte hinnehmen müssten: "Die Zahl der Pflegekräfte ohne Ausbildung, ohne Deutschkenntnisse, ohne Qualitätskontrolle wird wachsen."

Tanzer leitet die Organisation Altern in Würde, die 1.000 slowakische Pflegerinnen in Österreich im Einsatz hat. Mehr als die Hälfte sei von der von der ÖVP geplanten Kürzung der Familienbeihilfe betroffen, sagt sie. Für viele würde sich die Arbeit über der Grenze finanziell nicht mehr rentieren. "Gute und langjährige Kräfte werden dann höhere Honorare verlangen müssen oder wegbleiben. Die Betreuungsqualität wird sinken."

Politische Baustelle

Die Debatte um weniger Familienbeihilfe für EU-Bürger, die in Österreich arbeiten, deren Kinder aber im Ausland leben, rückt eine Branche ins Blickfeld, die unter umstrittenen Bedingungen arbeitet und auf ein System angewiesen ist, das politische Baustelle ist.

"Die 24-Stunden-Pflege ist ein Konstrukt, das nur aufgrund der Billiglohnländer rundum funktioniert", sagt Ulrike Mühlberger, Pflegeexpertin des Wifo. Das von ihr umrissene Jobprofil: keine echte wirtschaftliche Selbstständigkeit, Tagessätze, die bei 35 Euro inklusive Versicherung beginnen, keine Arbeitszeit- und sonstigen Schutzgesetze. Sie hält Einsparungen für bedenklich, die auf Menschen abzielten, die ein paar Euro in der Stunde verdienen.

Wenige über 50

Nur 38 Prozent der Pflegerinnen seien über 50 und eher nicht mehr auf Familienbeihilfe angewiesen. Sie sorgen vor allem für schwerwiegende Pflegefälle: 62 Prozent der geförderten 24-Stunden-Betreuung betreffen die Pflegestufen vier und fünf. "Wenn eine Gesellschaft will, dass Angehörige daheim gepflegt werden, muss sie dafür mehr Geld in die Hand nehmen." Derzeit würden jedoch, um privates Vermögen zu schonen, Kosten im großen Stil auf die Allgemeinheit übergewälzt.

Mühlberger spielt auf vorzeitiges Überschreiben von Vermögen auf die nächste Generation an. Im Fall teurer stationärer Pflege kann der Staat dann darauf nicht mehr zurückgreifen.

Kostenwahrheit fehlt

Wie Mühlberger vermisst auch Monika Riedel Kostenwahrheit in der Pflege. Die Gesundheitsökonomin des IHS hält nichts davon, Pflege etwa durch Familienbeihilfe quer zu subventionieren. "Wollen wir 24-Stunden-Pflege, gehört sie direkt, nicht über Umwege finanziert." Die geplante Kürzung der Beihilfe führt aus ihrer Sicht aber auf jeden Fall zu Verwerfungen. Ein finanzieller Ausgleich sei notwendig, der an Qualifikationsnachweise gekoppelt gehöre: Riedel rät, bei Zuschüssen für die 24-Stunden-Betreuung anzusetzen.

Wie private Vermittler von Pflegekräften fürchtet auch die Volkshilfe einen Verlust an Betreuerinnen aus den Nachbarländern: Gut die Hälfte ihrer 24-Stunden-Pflegerinnen sei von den Plänen der ÖVP betroffen. Für das Hilfswerk ist die Aufregung überzogen. "Das Alter unserer Betreuerinnen liegt im Schnitt bei 51 Jahren", sagt sein Sprecher Roland Wallner. Es gehe zudem um nur zehn Prozent des Honorars. "Das regelt der Markt." (Verena Kainrath, 23.2.2017)