Wien/Brüssel – Das österreichische Budget befinde sich – wenn man die Flüchtlingsausgaben herausrechne – "grob im Rahmen" und verletze den Stabilitätspakt nicht, sagte der wirtschaftspolitische Berater der Vertretung der EU-Kommission in Wien, Marc Fähndrich, am Donnerstag bei der Präsentation des am Mittwoch erschienenen Länderberichts für Österreich.

Der Bericht dient im Rahmen des Europäischen Semesters als Instrument, politische Reformen im Blick zu behalten und weist auf Herausforderungen hin, mit denen sich die Mitgliedstaaten befassen sollten.

Wirtschaftliche Impulse

Die EU-Kommission sieht gute wirtschaftliche Impulse. So werde die österreichische Wirtschaft 2017 mit 1,6 Prozent schwächer als im EU-Schnitt wachsen, die Arbeitslosenrate zwar auf 6,1 Prozent steigen, aber um 2 Prozentpunkte unter dem EU-Schnitt liegen. Auch das Defizit von 1,2 Prozent und die Staatsverschuldung von 81,3 Prozent sowie das strukturelle Defizit von 0,8 Prozent dürften unter dem EU-Schnitt liegen.

Sorge bereiten der EU-Kommission dagegen die deutlich über dem EU-Schnitt gestiegenen Immobilienpreise. Der Anstieg sei stärker als bei Einkommen, Mieten und Inflation, betonte Fähndrich. Dies müsse im Auge behalten werden, denn ziehen die Mieten nach, könnte dies den privaten Konsum dämpfen.

Kritik an Gesundheitsausgaben

Kritisch gesehen wird auch das österreichische Gesundheits- und Pensionssystem. Die Gesundheitsausgaben würden weit über dem EU-Schnitt liegen. Die Qualität der Gesundheitsversorgung müsse besser werden. Der Krankenhaussektor dominiere zu stark. Die Bettenanzahl pro 100.000 Einwohner liege mit 535 um 50 Prozent über dem EU-Durchschnitt. Ein Grund dafür liegt laut Fähndrich darin, dass die Bundesländer den Großteil der öffentlichen Spitäler besitzen, aber nur die Hälfte der Kosten tragen.

Österreich habe EU-weit die höchste Zahl an Spitalsentlassungen. Viele Krankenhausaufenthalte seien aber unnötig oder vermeidbar. Dagegen gebe es eine schlechte Primärversorgung durch niedergelassene Ärzte. Wünschenswert wären gut ausgestattete Versorgungszentren. Die Österreicher seien auch häufiger krank als der EU-Schnitt. Sehr gut sei dagegen der Zugang zum Gesundheitssystem. Fähnrich empfiehlt unter anderem eine stärkere Kostentransparenz.

Sicherung des Pensionssystems

Im Zusammenhang mit dem Pensionssystem wird geraten, das gesetzliche Pensionsalter an die Lebenserwartung zu koppeln. Es fehlten junge Österreicher, die Fertilitätsrate sei gering. Die langfristige Sicherung des Pensionssystems sei wichtig. Die Harmonisierung des gesetzlichen Pensionsalters für Männer und Frauen geht Fähndrich zu langsam.

Eine weitere Ineffizienz sieht der Experte in deutlich unter dem EU-Schnitt liegenden intranationalen Einnahmen von Ländern und Gemeinden und der Diskrepanz zwischen Einnahmen- und Ausgabenverantwortung.

Spielraum für Verbesserungen wird bei der Belastung des Faktors Arbeit gesehen. Hier liege Österreich mit 49,5 Prozent noch immer an sechster Stelle in der EU. Als alternative Einnahmenquelle für den Staat wird auf die Besteuerung von Immobilien hingewiesen, die noch immer auf Bewertungsbasis 1973 erfolge. Hier sei Österreich Schlusslicht in der EU. Ziel müsse es ein, die Steuer auf Arbeit weiter zu reduzieren. Ein weiteres Problem sei die kalte Progression.

Gehaltsunterschiede

Auch was die Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen betrifft, liege Österreich mit 22,2 Prozent über dem EU-Schnitt von 16,1 Prozent. Es gebe zu wenig Kinderbetreuungsplätze. Das Angebot an Ganztagsschulen habe sich positiv entwickelt, auch wenn vielfach nachmittags nur ein Hort anboten werde.

Mit seiner Arbeitslosenrate liege Österreich unter dem EU-Schnitt. Es gebe aber große Unterschiede zwischen EU- und Nicht-EU-Geborenen. Letztere hätten nur eine Beschäftigungsquote von gut 60 Prozent. Integration sei also vor allem eine Herausforderung für Menschen aus Drittländern. Hier sei Bildung wichtig.

Kapitalausstattung der Banken

Was den österreichischen Finanzsektor und die Investitionen betrifft, stellte Jozef Vasak von der Vertretung der EU-Kommission fest, dass die österreichischen Banken ihre Widerstandsfähigkeit zwar gestärkt hätten, mit ihrer Kapitalausstattung aber noch immer unter dem EU-Schnitt lägen.

Unternehmen hätten mehr auf Bankkonten eingezahlt, als Kredite in Anspruch genommen. Es herrsche ein Mangel an Investitionsmöglichkeiten und positiven Konjunkturaussichten, dafür gebe es politische Unsicherheiten.

Auch strukturelle Schwächen würden die Investitionstätigkeit behindern, vor allem die deutlich restriktiven Rechtssetzungen. Die Reform der Gewerbeordnung sei nicht ausreichend gewesen, kritisierte Vasak. So habe es etwa keine Fortschritte hinsichtlich Gründungen gegeben. Die Hürden seien sowohl regulatorischer als auch kultureller Art. Positiv hervorgehoben werden Investitionen in den digitalen Wandel. (APA, 23.2.2017)