Leicht orange gefärbter Morgendunst ruht über den Dächern Karatschis, als mich Faisal, ein junger Sindhi – so heißen die Bewohner der pakistanischen Provinz Sindh –, herzlich in seinem Land willkommen heißt. Via Couchsurfing hat er mir angeboten, bei ihm und seiner Familie zu wohnen. Die Lebensumstände Faisals waren mir vorher allerdings nicht bewusst – aber das sollte ich noch früh genug herausfinden.

Unzählige kitschig bemalte und dekorierte Busse zieren das Labyrinth an schmutzigen und schnelllebigen Straßen der pakistanischen Stadt. Wir kämpfen uns durch den morgendlichen Stauverkehr und erreichen einen kleinen Palast in einem besseren Viertel Karatschis: Faisals Zuhause. Als er mir meinen Koch und Bediensteten vorstellt, wird mir unwohl. Spätestens als ich den Wasserfall im Garten sehe, wird mir bewusst, dass ich wohl bei den obersten 10.000 von Karatschi gelandet bin. Den Kontrast zwischen Arm und Reich hautnah mitzubekommen, fühlt sich unwirklich an.

Quaid-e-Azams Mausoleum.
Foto: Max Leyerer

Mit Faisal Karatschi entdecken

Wir flanieren eine nie endende, graue Sandzunge entlang und die frische Meeresluft verdrängt die sonst dominierende Smogluft. Eltern mit Kindern, Gruppen von Jugendlichen vergnügen sich hier am Strand. Es macht den Eindruck, als wäre der Clifton Beach ein Zufluchtsort vor der Millionenstadt. Bunt geschmückte Kamele mit Sitzen und Schlangenbeschwörer mit Kobrabefüllten Säcken zeichnen ein ungemein entspanntes Bild und degradieren das Brechen der Wellen an einem der längsten Strände der Welt beinahe zum Nebendarsteller. 

Strandszene in Karatschi.
Foto: Max Leyerer

Zwischen den vielen sich ähnelnden, mit Kabel behängten Straßen versteckt sich in der Mega-City das ein oder andere Juwel. Etwa der Mohatta-Palast. Einst eine Sommerresidenz eines umtriebigen Geschäftsmannes, fungiert es heute als Museum für pakistanische Kunst.

Mohatta-Palast-Museum.
Foto: Max Leyerer

Das weiße Wahrzeichen 

Ein Besuch in Karatschi ist erst vollkommen, wenn man dem Quaid-e-Azam-Mausoleum einen Besuch abstattet. Das berühmte Wahrzeichen, in weißem Marmor gehalten, ist die Ruhestätte des Gründers von Pakistan, Muhammad Ali Jinnah. Das Mausoleum selbst ist zugänglich und das Grab Jinnahs liegt zentral unterhalb einer imposanten Kuppel.

Ein weitläufiger Garten umgibt das Mausoleum und scheint dem Smog und der wilden Stimmung der Straßen fern zu sein. Eine seltene Ruhe, die auch viele Schulklassen bei ihrem Besuch nutzen. Flucht vor der brütenden Hitze gibt es allerdings keine.  

Die Sicht vom Mausoleum über Karatschi.
Foto: Max Leyerer

Faisal und ich ziehen weiter, um den Empress Market zu besuchen. Das Auto hält an der linken Straßenseite. Unzählige Mopeds ziehen vorbei, sodass ich die Tür nur minimal öffnen kann, um mich aus dem Auto zu quetschen. Willkürlichen Verkehr in mehrspurigen Straßen zu überqueren, ist eine halsbrecherische Erfahrung, die Geduld erfordert. Wir bewegen uns einen Meter vor, Mopeds und Rikschas brausen uns links und rechts um die Ohren. Wir gehen ein Stück weiter, um dann einen lauten, überfüllten Bus auszuweichen. Überall wuselt es, überall sind Menschen, überall ist Bewegung. Kein Winkel des Auges erfasst Ruhe, alles ist in Bewegung – sinnbildlich für fast ganz Karatschi.

Straßenszene vor dem Empress Market.
Foto: Max Leyerer

Tücher und Netze sind über den Ständen gespannt und geben dem Empress Market eine heimliche Atmosphäre. Selbst die allgegenwärtigen dreckigen Wege und Abfälle kommen nicht gegen die unfassbaren Farben und Gerüche des Marktes an. Von Früchten, Gemüse, elektronischen Geräten, diversen Utensilien bis zu von Fliegen umkreisten Fleisch, wird hier alles verkauft.

Bunte Marktszene.
Foto: Max Leyerer
Seitenstraße neben dem Empress Market.
Foto: Max Leyerer

Meine Tage in Karatschi und bei Faisal und seiner Familie verstreichen wie im Flug. Ohne meine lokalen Freunde hätte ich nur an der Oberfläche kratzen können und niemals denselben lehrhaften Einblick in die krasse Kluft zwischen arm und reich und in das wilde Leben Karatschis bekommen können.

Karatschi gibt einem all das, was man sich von einer Mega-City erwartet. Sie nimmt dich auf, wirbelt dich hilfslos durch die wilden Straßen, verpasst dir einen kräftigen Kulturschock, Realität und Gastfreundschaft und lässt dich letzten Endes von Atem beraubt zurück. (Max Leyerer, 24.5.2017)

Mit Faisal und einem Wächter des Jinnah Grabes.
Foto: Max Leyerer

Weitere Fotos aus Karatschi finden Sie hier

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