X-ter Anlauf zur Verwaltungsreform: Das rot-weiß-rote Staatsgeflecht soll maßgeschneidert werden.

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Wien – Ewiges Thema, neuer Anlauf: Wieder einmal wagen sich Bundesregierung und Ländervertreter an eine Bundesstaatsreform heran. Doch gewandelt hat sich nach vielen, weitgehend fruchtlosen Versuchen der Ansatz. Wurde früher noch der große Wurf angepeilt, üben sich nun alle Beteiligten in Understatement.

"Wir werden die Welt nicht aus den Angeln heben", verkündete Kanzler Christian Kern (SPÖ) am Wochenende nach dem ersten Treffen jener Arbeitsgruppe, die einen Bauplan für ein "effizienteres Staatswesen" erarbeiten soll: "Es geht nicht darum, dass wir eine Machtverschiebung herbeiführen wollen – mehr Kompetenzen für den Bund oder für die Länder." Es sei nicht daran gedacht, irgendwen zum Gewinner oder Verlierer zu machen, ergänzte Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, während der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter, ebenfalls ÖVP, klarstellte: "Es geht nicht darum, dass wir weniger Föderalismus brauchen."

Franz Fiedler hat die Auftritte im Fernsehen mitverfolgt, mit jedem Satz schwand seine Zuversicht. Dass explizit geplant ist, die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern neu zu ordnen, sei an sich zu begrüßen, sagt der ehemalige Präsident des Rechnungshofes. Doch nehme man die Statements der handelnden Politiker ernst, sei das Scheitern absehbar: "Denn natürlich muss es bei der Staatsreform Verlierer geben."

Spitäler in Spuckweite

Warum, zeige sich etwa in der Schulverwaltung oder im Gesundheitswesen. Das Wirrwarr der zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zersplitterten Zuständigkeiten mache eine sinnvolle politische Steuerung nahezu unmöglich, kritisiert Fiedler im Gespräch mit dem STANDARD: Die Bundesregierung in Wien könne mangels Durchgriffsrecht nicht einmal verhindern, wenn Landesregenten wieder einmal Spitäler in absurder Nähe zueinander in die Landschaft setzten. Kein Wunder, dass Österreichs Gesundheitssystem im internationalen Vergleich durch besonders hohe Kosten auffalle.

Soll eine Reform also eine "Lenkung aus einer Hand" bringen, dann müsse eine Seite auf Einfluss verzichten – und das seien die Länder. "Der Bund zahlt ja auch die Rechnung", sagt der aus der ÖVP stammende Fiedler: "Wir brauchen mehr Zentralismus."

Skeptisch zeigt sich auch Fiedlers Nachfolger als Rechnungshofchef, der im Vorjahr aus dem Amt geschiedene Josef Moser. Arbeitsgruppen habe es seit den schon Neunzigerjahren viele gegeben, sagt der in der FPÖ sozialisierte nunmehrige Präsident des industrienahen Wirtschaftsforschungsinstituts Eco Austria auf Nachfrage der APA: "Es liegt alles am Tisch. Es bedürfte nur eines klaren politischen Willens, in welche Richtung es gehen soll."

Im überarbeiteten Regierungsprogramm liest Moser diesen Willen nicht wirklich heraus. Die Reformpläne für Schulen und Spitäler würden an der Kompetenzzersplitterung wenig ändern: "Es wäre an der Zeit, dass man jetzt die Strukturreformen angeht."

Ball bewusst flach halten

Die Koalitionsparteien wollten den Ball bei der Auftaktbegegnung bewusst flach halten. Es habe keinen Sinn, den Landeshauptleuten Forderungen vor die Nase zu knallen, die nicht oder nur in ferner Zukunft realistisch seien, heißt es. Ein paar Themen wurden, wenn auch nur vage, angerissen: Vereinfachungen und Vereinheitlichungen sind etwa im Wirtschaftsrecht geplant, die neun unterschiedlichen Regelungen des Jugendschutzes sollen der Vergangenheit angehören. Auch die Mindestsicherung, für die es nach den gescheiterten Verhandlungen des Vorjahres keine einheitlichen Mindeststandards mehr gibt, steht auf der Agenda.

In Summe soll sich der Staat eine Milliarde ersparen, denn wie Kanzler Kern sagt: "Wir wissen, dass Österreich und unsere Verwaltungsstrukturen nicht wirklich ein schlankes Rehlein sind."

Kritiker Fiedler zweifelt allerdings am Gelingen der Abmagerungskur. Seine Prognose: "Man wird sich auf ein paar kleine Schritte einigen, um sich nicht zu blamieren – und das dann als größte Bundesstaatsreform aller Zeiten verkaufen." (Gerald John, 27.2.2017)