Georg Gradwohl testet die Therapie mit dem Mollii-Anzug. Die Elektrischen Impulse, die der Anzug an die Muskeln abgibt, werden individuell für jeden Patienten programmiert.

Foto: AS Media

Nach einer Stunde mit dem Mollii Anzug konnte Georg Gradwohl, der nach einem Schädelhirntrauma an Spastiken leidet, schneller selbstständig aufstehen.

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Salzburg – Wieder eigenständig aufstehen und gehen zu können, ist für viele Patienten mit Lähmungen und Spastik ein unerfüllter Wunschtraum. Georg Gradwohl ist auf dem besten Weg dorthin. Der 30-jährge Niederösterreicher hat seit seinem 16. Lebensjahr linksseitige spastische Lähmungen. Ausgelöst wurden sie durch ein Schädelhirntrauma nach einem Mopedunfall. Einige Muskeln seiner linken Körperhälfte sind versteift, seine Bewegungsfähigkeit ist eingeschränkt.

Eine neue Therapieform, der sogenannte Mollii-Anzug soll über elektrische Impulse helfen Georg Gradwohls Muskeln zu stimulieren. Zwanzig Hertz starke Stromimpulse werden über 58 Elektroden abgegeben. Der Muskel spüre den Strom und schicke Signale ins Rückenmark, erklärt Fredrik Lundqvist, der schwedische Entwickler des Anzuges im Gespräch mit dem STANDARD. "Wir wollen, dass die Kommunikation im Körper wieder hergestellt wird." Die niederfrequente Elektrostimulation veranlasse die körpereigenen neurologischen Reflexe bei Spastizität in den behandelnden Muskeln zu entspannen. Dreimal pro Woche jeweils zwischen einer bis zwei Stunden sollte die Therapie durchgeführt werden, rät Fredrik Lundqvist.

Faust wieder öffnen können

Seine zur Faust geballte Hand kann Georg Gradwohl normalerweise nicht selbstständig öffnen. Bei seinem ersten Test mit dem Mollii Anzug wird die Muskulatur angeregt und es kommt zur Lockerung und Lösung der Spastik. Bereits nach einer halben Stunde in dem Anzug kann der 30-Jährige die Hand leicht öffnen und die Finger bis zu einem 90 Grad Winkel heben. Der Anzug ist individuell auf den 30-Jährigen programmiert.

Die Wirkung des Anzugs, also die Lockerung des Muskels, hält 48 Stunden an. "Das kann antispastische Medikamente ersetzen", erläutert Febres Landauro, Leiter des ambulanten Reha Zentrums Haus Sankt Lukas, wo der Anzug erstmal in Österreich zur Therapie eingesetzt wird. "Durch den Anzug erzielen wir bessere Ergebnisse mit niedrigeren Nebenwirkungen", sagt Landauro. Gleichzeitig könnten die Medikamentenkosten etwa für Antispastika, Antidepressiva und Schmerzmittel reduziert werden.

700 Menschen in Europa verwenden Anzug

Der Mollii-Anzug ist seit 2013 erhältlich. Etwa 700 Menschen in Europa verwenden den Anzug als begleitende Therapiemaßnahme. Auch die ehemalige österreichische Stabhochspringerin Kira Grünberg setzt bei den Rehabilitationsmaßnahmen ihrer Querschnittlähmung auf den "Mollii Anzug". Einsetzbar ist er für Menschen mit neurologischen Erkrankungen wie etwa zerebraler Lähmungen, Hirnschäden, Wirbelsäulenverletzungen Spastizität und auch nach Schlaganfällen. In der Anschaffung kostet der Anzug 4.750 Euro. Mit den Krankenkassen würden Verhandlungen laufen, dass die Therapiekosten übernommen werden, sagt der Leiter des Haus Sankt Lukas, Febres Landauro.

Georg Gradwohl ist von dem Anzug sichtlich begeistert. Immer wieder versucht er alleine, ohne zusätzliche Hilfe aufzustehen. "Ich stehe am liebsten", sagt er. Eine Stunde zuvor ist er bei dem Aufstehversuch noch zurückgefallen und konnte seine linke Hüfte nicht richtig nach außen drehen. Bei jedem Versuch wird die Bewegung flüssiger. "Ich sehe mich schon gehen", sagt der 30-Jährige motiviert. (Stefanie Ruep, 3.3.2017)