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Im Profisport "Doping", im Hobbysport "Substanzmissbrauch": Rund ein Fünftel aller Freizeitathleten greift auf Helferleins zurück, Tendenz steigend.

DPA/Matthias Hiekel

In Zeiten, in denen die Prinzipien der Leistungsgesellschaft in viele Lebensbereiche eindringen, wird auch Freizeitsport seltener aus reinem Spaß an der Freude betrieben. Mit der Frage, wie stark Doping schon aus dem Leistungs- in den Hobbysport einsickert, beschäftigt sich Pavel Dietz von der Universität Graz. "Es ist erschreckend, wie hoch die Zahlen sind", sagte er zur APA.

Mit den Schattenseiten des Sports setzen sich mittlerweile mehrere Forschungsgruppen auseinander. "Wir konzentrieren uns primär auf den Breitensport, auf den Hobbysportler, der Schmerzmittel einnimmt, die Mutter, die in einem halben Jahr einen Halbmarathon laufen will und vielleicht auch schon 'Dopingsubstanzen' einnimmt", so der Forscher vom Grazer Institut für Sportwissenschaft. Dass es sich hier nicht mehr um ein Randthema handelt, werde immer greifbarer.

Schon länger ist das Problem unter Fitnessstudio-Besuchern bekannt. Hier geht die Forschung laut Dietz davon aus, dass bis zu ein Fünftel "Substanzmissbrauch", wie es im Freizeitsportbereich heißt, betreiben. Das Phänomen breite sich aber merklich aus, etwa auf Hobbyläufer und -triathleten.

Sport als "Selbstidentifikation"

Dass die Gesellschaft immer mehr in Richtung Leistung gehe, schlage auch auf die Freizeit durch, sagt Dietz, der sich unter anderem auf Dunkelzifferforschung spezialisiert hat. "Du musst mittlerweile sozusagen jeden Berg am Wochenende zweimal hochgehen. Das produziert natürlich auch das Phänomen des Substanzkonsums."

Man könne für die vergangenen zehn bis 15 Jahre sozialwissenschaftlich klar aufzeigen, dass sich vieles geändert habe. Dietz: "Sport ist nicht mehr Hobby und Selbstzweck, es ist Selbstidentifikation. Ich muss beim Firmenlauf schneller laufen als mein Büronachbar, sonst bin ich schwach."

In einer größeren Studie unter Hobbytriathleten stellten Dietz und Kollegen fest, dass 13 Prozent der fast 3.000 Befragten in irgendeiner Form "Helferlein" einsetzen. Substanzmissbrauch beginne beispielsweise schon dort, wo ohne Symptome wie etwa Kopfschmerzen vor dem Training oder Wettkampf ein Schmerzmittel eingenommen wird.

"Wir haben in einer Befragung herausgefunden, dass 50 Prozent der Marathonläufer das schon einmal gemacht haben, weil sie sich davon eine Wirkung erhoffen", sagt Dietz. Die Theorien dahinter gingen von einer vermuteten besseren Leidensfähigkeit bis zu der Annahme, dass man durch die Blutverdünnung schneller laufen könne.

Ratschläge aus der Netzapotheke

Tauschbörse für derartige Informationen sind vor allem Internetforen. Dort werde neben Mythen teilweise auch Wissen "fast auf Ärzteniveau" weitergegeben, wie eine Analyse ergab. "Das Internet ist auch beim Verbreiten von Doping-Know-how das Medium schlechthin geworden", sagt Dietz.

Es brauche nur wenige Klicks, und man werde bei der Planung und Umsetzung der angestrebten Anabolikakur "an der Hand genommen". In Zeiten des beinahe ungehemmten Substanzversands via Onlinebestellung entfalle auch der Weg zum "Dealer", den potenzielle Interessenten früher möglicherweise scheuten.

Motive: Von Körpertuning bis Zugehörigkeitsgefühl

Im Gegensatz zum Leistungssport, wo die Motivation nach dem Motto "Sieg um jeden Preis" auf der Hand liegt, ist der Ansporn im Hobbybereich nicht so einfach festzumachen. In tiefergehenden Interviewstudien haben Hobbysportler vom "Körpertuning" bis zur Identifikation mit der Gruppe etwa im Fitnessstudio zahlreiche Motive genannt.

In manchen Sportarten herrsche unter den Hobbyathleten mittlerweile auch die relativ verbreitete Annahme, dass man irgendwann etwas nehmen müsse, um sich zu verbessern. Dietz: "Viele werden dann von 'Mentoren' hingeführt – vor allem im Fitnessstudio, aber auch im Triathlon." Die Hobbysportler, die diesen Weg gehen, würden jedenfalls eine rationale Entscheidung treffen. "Hier ist aber oft nicht bewusst, welche langfristigen Auswirkungen das haben kann." Dazu zählen etwa Brustkrebserkrankungen bei Männern und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. (APA, red, 27.2.2017)