Hand in Hand: Knapp die Hälfte der Beschäftigten in Österreich wird von Betriebsräten vertreten.

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Wien – Müller mag keine Betriebsräte in seinen Drogeriefilialen. Bei Takko endete die erstmalige Wahl einer Belegschaftsvertretung 2016 vor Gericht, das Urteil steht noch aus. Marionnaud und Deichmann verzichten zur Gänze drauf. Beim Möbelkonzern Lutz ward in Österreich trotz tausender Mitarbeiter noch nie ein Betriebsrat gesehen. Wie dieser auch zu Lebzeiten von Baumax Mangelware in der einstigen Handelskette war. Berühmt-berüchtigt sind Fehden, die der Industrielle Frank Stronach mit der Gewerkschaft rund um seine Magna austrug. Dietrich Mateschitz ist Betriebsräten im Red-Bull-Imperium ebenso feindlich gesinnt.

Die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Unternehmen birgt seit jeher Zündstoff. Ein aktueller Befund der Eurofound, der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen mit Sitz in Dublin, liefert jedoch Argumente dafür, die Sache deutlich entspannter zu sehen.

Die meisten Führungskräfte vertrauen Betriebsräten

Demnach haben 95 Prozent der Führungskräfte großes Vertrauen in den Betriebsrat. 92 Prozent der Manager meinen, dass dessen Einbindung das Engagement der Mitarbeiter erhöht. 86 Prozent sehen dadurch eine bessere Arbeitsleistung. Allein ein Fünftel macht Arbeitnehmervertreter für Verzögerungen verantwortlich.

Befragt wurden von Eurofound, dessen Verwaltungsrat paritätisch von den Sozialpartnern, Vertretern der EU-Länder und Europäischen Kommission besetzt ist, 972 österreichische Betriebe. Die Ergebnisse wurden 2015 aufbereitet und im Vorjahr von Forba, der Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt im Auftrag der Arbeiterkammer für Österreich aufbereitet. 450 Unternehmen gaben an, Betriebsräte zu haben. Ihre Führungskräfte waren es, die sich unabhängig von Betriebsgröße und Branche im Sinne besserer Leistung deutlich für die Zusammenarbeit mit den Belegschaftsvertretern aussprachen, resümiert Forba-Mitarbeiterin Bettina Stadler. 65 Prozent räumten zugleich freilich ein, sich lieber direkt mit den Beschäftigten zu beraten. Stadler sieht vor allem kleinere Unternehmen diesen Weg gehen.

Positiv für das Arbeitsklima

"Betriebsräte spiegeln die Stimmung in Betrieben wider, sie zeigen auf, wo der Schuh drückt", ist Silvia Hruska-Frank, Leiterin der Abteilung Sozialpolitik der Arbeiterkammer, überzeugt. Mitbestimmung wirke sich positiv aufs Arbeitsklima wie auf die wirtschaftliche Performance aus.

Der daraus abgeleitete Appell der Arbeiterkammer: Betriebsräte sollen nicht erst ab 150 Mitarbeitern, sondern bereits ab 100 vom Dienst freigestellt werden. Ein Aufsichtsrat, in dem auch Arbeitnehmer vertreten sind, gehöre zudem schon ab 200, nicht erst ab 300 Mitarbeitern installiert. Und es brauche mehr Möglichkeiten der Mitbestimmung: Diese müsse über Sozialpläne bei offensichtlichen Einschnitten hinausreichen.

"Keine Machtverschiebung"

Die Digitalisierung etwa sei ein schleichender Prozess, sagt Hruska-Frank dem STANDARD. Betriebsräte müssten hier früher mitwirken dürfen. "Es geht nicht um eine Machtverschiebung hin zu den Arbeitnehmern." Die Rahmenbedingungen hätten sich jedoch seit den 70er-Jahren stark verändert: Das Arbeitsverfassungsgesetz gehöre entsprechend angepasst.

Martin Gleitsmann, Experte für Sozialpolitik der Wirtschaftskammer, gibt sich gesprächsbereit, sofern die Arbeiterkammer auch die Wünsche der Unternehmer ernst nehme. Er warnt aber davor, diese finanziell zu überfordern. Dass Betriebe nur mit Betriebsrat funktionieren, unterschreibt er nicht. Er trete nicht gegen ihn auf – es könne aber auch ohne ihn bestens laufen. Vor allem kleine und mittlere Betriebe lebten dies mit ihren "familiären Verhältnissen" vor.

Weniger Betriebe mit Betriebsratsgremien

49 Prozent der Beschäftigten in Österreich werden von Betriebsräten vertreten, belegt der Arbeitsklimaindex 2016. Gut 66.000 gibt es deren in Summe. Theoretisch gibt es die Pflicht zur Selbstorganisation ab fünf Arbeitnehmern – praktisch steht es ihnen aber frei, dies zu tun. Der Anteil der Betriebe mit Betriebsratsgremien sinkt, da die Zahl an Firmen wächst, ihre Größe jedoch stetig abnimmt.

Die Gewerkschaft kam, bat seine Mitarbeiter zum Gespräch und um die Mitgliedschaft, erzählt ein Lebensmittelhersteller, der in Österreich 250 Mitarbeiter beschäftigt. "Nicht einer wollte beitreten. Es ist wie bei der Kirchensteuer – freiwillig zahlt keiner." Er komme schon seit Generationen ohne Betriebsrat aus, betont er. "Gibt es Probleme, dann kommen die Leute zu mir. Ich habe täglich Sprechstunde, und fremde Hilfe haben wir noch niemals gebraucht." (Verena Kainrath, 1.3.2017)